Gegner wollen das Volk über den Bundesbeitrag für Sion 2026 und damit über die Veranstaltung abstimmen lassen. Befürworter nennen dies «ein inkonsequentes Störmanöver».
Richard Clavadetscher
Die Kontroverse um die Olympischen Winterspiele Sion 2026 gewinnt an Fahrt: Nationalrätin Silva Semadeni (SP/GR), dezidierte Gegnerin Olympischer Spiele seit langem, hat im Parlament eine Motion eingereicht, die dem Sportevent weiteres Ungemach bescheren könnte. «Olympische Winterspiele 2026: Das Volk soll entscheiden», so der Titel des Vorstosses.
Semadeni will damit den Bundesrat beauftragen, dem Parlament «eine referendumsfähige Gesetzesgrundlage» vorzulegen, wenn er «an der im Oktober 2017 festgelegten Unterstützung von bis zu einer Milliarde Franken für das Projekt Sion 2026 festhalten» sollte. Gegenwärtig ist es ja so, dass das Volk lediglich in den Kantonen Wallis und Bern über diese Winterspiele befinden wird, auf Bundesebene liegt der Entscheid beim Parlament, da es sich um eine Finanzvorlage handelt. Die entsprechende Schlussabstimmung ist auf den 14. Dezember 2018 terminiert.
Die Bündner Nationalrätin begründet ihren Vorstoss mit finanziellen Überlegungen. Studien zeigten, dass von 1960 bis 2016 die ursprünglichen Budgets Olympischer Spiele «im Schnitt um über 150 Prozent überschritten» worden seien. Das IOC aber trage diese Defizite nicht, sie blieben an den Gastgebern hängen. Weil Olympische Winterspiele mit der knappen Milliarde ein grosses und ausserordentliches finanzielles Engagement des Bundes verlangten und deshalb von nationaler Bedeutung seien, müsse sich das Schweizer Stimmvolk dazu äussern können, ist sie überzeugt. Denn ein solcher Anlass müsse von der Bevölkerung getragen werden.
Geht es um Olympia, ist Silva Semadeni nicht irgendwer: Die Gegnerin von Olympischen Winterspielen hat in ihrem Kanton 2013 und 2017 entsprechende Volksabstimmungen gewonnen. Und sie steht mit ihrer Forderung nach einer eidgenössischen Volksabstimmung zu Sion 2026 auch nicht allein: Nicht weniger als 61 Parlamentarier von SP, SVP und den Grünen haben ihre Motion mitunterzeichnet. Bereits schon nach dem Bundesratsentscheid im Oktober haben die Grünen dieselbe Forderung erhoben. Eine von Nationalrätin Lisa Mazzone (Grüne/GE) vor wenigen Tagen eingereichte Parlamentarische Initiative verleiht der Haltung Nachdruck. Vor diesem Hintergrund ist Semadenis Vorstoss sicher nicht a priori chancenlos.
Das sieht auch Mitunterzeichner Felix Müri (SVP/LU) so. «Wir können nicht auf der einen Seite sparen – und dann auf der anderen Seite solche Beträge ausgeben, ohne dass das Volk sein Plazet dazu gibt», begründet er seine Haltung. Dies sei in seiner Partei schon verbreitete Meinung gewesen, als es seinerzeit im Bündnerland um Olympische Spiele ging.
Viel Gegenwind also für Müris Zürcher Parteikollegen Jürg Stahl, Präsident von Swiss Olympic und seit kurzem auch OK-Präsident von Sion 2026. Darauf angesprochen, sagt er, er habe Vertrauen in den Rechtsstaat Schweiz. Dieser habe einen bekannten und bewährten Umgang mit Finanzvorlagen auf Bundesebene. Man könne nun nicht einfach bei einer Vorlage, die einem nicht passe, die Regeln ändern. Dies insbesondere schon deshalb nicht, weil man doch eben noch ein Referendum für Finanzvorlagen abgelehnt habe, als es um die Ostmilliarde ging. «Das wäre inkonsequent», so Stahl.
Was Sion 2026 konkret angeht, verweist der OK-Präsident darauf, dass bei den Abstimmungen im Bündnerland stets gesagt worden sei, man wäre schon dafür, wenn das Projekt etwa bei den Infrastrukturbauten bescheidener daherkäme. Genau dies sei jetzt bei Sion 2026 der Fall – und nun sei es auch wieder nicht recht. Auch dass die Olympiakritik am IOC und an vergangenen Spielen festgemacht wird, findet er nicht fair: Sion 2026 unterscheide sich ja gerade von allem Bisherigen. Dies schon insofern, als die Budgetbeträge etwa für die Infrastruktur in einer Grössenordnung seien, die Milliardendefizite gar nicht zuliessen.
«Wir haben ein sehr solides Dossier», so Stahl. Es fehle ihm deshalb nicht an sachlichen Argumenten für diese Winterspiele. Und wie er merke, fehle es ihm auch nicht an Rückhalt. Dieser sei zurzeit einfach nicht so laut wie die Stimmen der Gegner. Diese Gegner von Sion 2026 fordert der Zürcher Nationalrat heute auf, sich nun in die noch bis März laufende Vernehmlassung des Bundesrats einzubringen – statt den bereits jetzt schon engen Zeitplan der Bewerbung mit «Störmanövern von der Art dieser Motion» zusätzlich zu belasten. Der Bundesrat werde diesen Vorbehalten dann sicher Rechnung tragen in seiner Botschaft.