Ein Gesetz für gleich lange Spiesse

Wenn wir in die 1980er- und 1990er-Jahre zurückblicken, wird uns klar, weshalb viele Bürgerinnen und Bürger auch heute noch grosse Vorbehalte und Befürchtungen haben, wenn es darum geht, den Staatsschutz zu stärken.

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Wenn wir in die 1980er- und 1990er-Jahre zurückblicken, wird uns klar, weshalb viele Bürgerinnen und Bürger auch heute noch grosse Vorbehalte und Befürchtungen haben, wenn es darum geht, den Staatsschutz zu stärken. Im letzten Jahrhundert sammelten informationshungrige offizielle und selbsternannte Schweizer Staatsschützer willkürlich Informationen über Sozialdemokraten und Gewerkschafter, Alternative, Grüne und Atomkraftgegner. Aber auch Künstler wurden ohne stichhaltige Gründe ins Visier genommen und per Fiche erfasst. Diese willkürliche Schnüffelei und die Verletzung der Persönlichkeitsrechte führte für die Erfassten zu erheblichen negativen Auswirkungen, zum Beispiel auf dem Arbeitsmarkt.

Heute leben wir in einer anderen Zeit mit neuen Gefahren für die innere Sicherheit und die Menschen in unserem Land. Wir brauchen ein Gesetz, das uns gleich lange Spiesse gibt, aber keinen Schnüffelstaat zulässt. Das vorliegende Gesetz ist deutlich besser als die bestehenden Rechtsgrundlagen: Der Anwendungsbereich wird auf konkrete Bedrohungslagen eingeschränkt, neu wird ein gerichtliches Ermächtigungsverfahren eingerichtet und die unabhängige, die politische und die parlamentarische Kontrolle und Aufsicht massiv gestärkt. All dies fehlt heute und würde bei einem Nein zum Nachrichtendienstgesetz weiterhin fehlen.

Wichtige politische Ziele lassen sich ohne griffigen Nachrichtendienst schlicht nicht verfolgen. Zentral ist die Nichtweiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen. Die Schweiz ist ein High-Tech-Land. Hochtechnologie ist sehr oft zivil und militärisch nutzbar (Dual-use-Problematik). Dual-use-Technologie darf aber nur exportiert werden, wenn sie zivil verwendet wird. Die Information über die wahren Absichten des Empfängers ist jedoch praktisch allein auf nachrichtendienstlichem Weg erhältlich. Ohne Nachrichtendienst wird die Schweiz zudem zum Tummelfeld fremder Nachrichtendienste. Kann und darf der Nachrichtendienst des Bundes so wenig wie bisher, so steigt das Risiko, dass fremde Nachrichtendienste hier weiterhin derart aktiv sind, wie Edward Snowden enthüllte. Zum Schutz unserer kritischen Infrastrukturen und zur Bekämpfung von Terrorismus und extremistischer Gewalt braucht es einen sinnvollen Mix von Prävention und Repression.

Bei der Kabel- und Funkaufklärung ist das Missbrauchspotenzial beim Durchforsten der Datenströme klein: Um ein Telefongespräch abzuhören, genügt ein Zugang zu den Verbindungen einer einzigen Telefonnummer. Bei Funk und leitungsgebundenen Netzen (Internet) muss aus technischen Gründen der ganze Datenstrom auf Stichwörter hin durchforstet werden, um die gesuchte Stecknadel im Heuhaufen zu finden. Dies birgt ein grosses Missbrauchspotenzial. Der Gesetzgeber hat das erkannt und deshalb besonders starke Verfahren und Instanzen vorgesehen, um Missbrauch auszuschliessen. Die heutige Unabhängige Kontrollinstanz wird neu auch für die Zulassung und Durchführung der «Kabelaufklärung» zuständig sein. Damit ist alles Notwendige vorgekehrt, damit der Nachrichtendienst allein jene Informationen erhält und auswertet, die er suchen darf, und alle anderen umgehend wieder gelöscht werden. Nachrichtendienstliche Prävention garantiert keine absolute Sicherheit. Das ist freilich kein Argument, darauf zu verzichten. Zu viel steht auf dem Spiel.