Das Aussendepartement beschafft mehr als 500'000 Geschenke jährlich. Dazu zählen Edelpräsente, die nur ausgewählte Gäste erhalten. Doch wer den Bund mit Produkten beliefern darf, ist undurchsichtig.
Sven Altermatt
Die Schweiz zum Verschenken? Wäre das Land ein Produkt, es könnte ein Hybrid aus Taschenmessern, Uhren und Kugelschreibern sein. So zumindest müsste das Geschenk Schweiz daherkommen, wenn man den obersten Vermarktern der Eidgenossenschaft folgt. Präsenz Schweiz heisst die Einheit, die im Eidgenössischen Aussendepartement (EDA) angesiedelt ist. Die Werber im Dienst der Nation pflegen das Landesimage rund um den Globus. «Uns wurde vom Bundesrat der Auftrag erteilt, die Schweiz in der Welt gut zu positionieren», sagt Nicolas Bideau, Direktor von Präsenz Schweiz.
Diese Abteilung trägt die Verantwortung dafür, was die offizielle Schweiz verschenkt. Mehr als 500000 Geschenke beschafft die Organisation jedes Jahr. Wann immer die Botschaften oder Konsulate rund um die Welt eine Aufmerksamkeit überreichen wollen, greifen sie auf die Präsente zurück. Ebenso werden diese an Weltausstellungen oder Messen verteilt. Die Promotionsmittel seien eine «wichtige Unterstützung für die Aktivitäten der Landeskommunikation», heisst beim EDA.
Das lässt sich Präsenz Schweiz etwas kosten. Regelmässig geht die Behörde auf Einkaufstour. Im vergangenen Oktober bestellte sie etwa 3000 Tischuhren des Modells «Magnet Clock» bei Mondaine. Kostenpunkt: 300000 Franken. Zur gleichen Zeit standen «Ecridor»-Kugelschreiber auf der Einkaufsliste. Bis zu 600000 Franken gingen dafür an die Schreibwarenfabrik Caran d’Ache.
Wer den Bund mit seinen Produkten versorgen darf, gehört quasi zu den Hoflieferanten – erst recht, weil diese an eine potenziell zahlungskräftige Klientel weiterverschenkt werden. Der Werbeeffekt kann nicht zu tief eingeschätzt werden. Gerade deshalb ist es erstaunlich, dass die Beschaffungen der VIP-Produkte in einem rechtlich fragwürdigen Licht erscheinen: Damit Caran d’Ache und Mondaine den Bund beliefern dürfen, mussten sie sich nie in einem Beschaffungsverfahren durchsetzen. Und das, obwohl die Auftragsvolumen deutlich über dem Schwellenwert für eine öffentliche Ausschreibung lagen. Keine andere Traditionsfirma hatte die Möglichkeit, sich für die Prestigeaufträge zu bewerben.
Das ist allein schon aus rechtlichen Gründen heikel. Wird ein Auftrag freihändig vergeben, gibt es keinen Wettbewerb zum Vorteil des Steuerzahlers. Freihändig darf ein Auftrag bei Lieferungen nur bis zu einem Volumen von 50000 Franken vergeben werden, so wollen es die Gesetzbücher. Bei einem höheren Betrag gilt das Einladungsverfahren. Die Behörden sollten demnach mindestens drei Anbieter auffordern, eine Offerte einzureichen. Ab dem Betrag von 230000 Franken müssen Aufträge öffentlich ausgeschrieben werden.
Die Causa gewährt nicht nur einen seltenen Einblick in die Kunst des Schenkens auf diplomatischen Parkett. Sie macht auch Mechanismen des öffentlichen Beschaffungswesens fassbar. Der Verzicht auf eine Ausschreibung kann problematisch sein, weil er Filz begünstigt. Doch bei den Edelpräsenten des Bundes sind Vergaben unter der Hand offenbar Usus, wie Recherchen zeigen. Diese Zeitung hat Beschaffungsdaten des EDA ausgewertet. Seit Dezember 2015, dem Beginn der laufenden Legislatur, wurde bei den massgebenden Beschaffungen auf eine Ausschreibung verzichtet. Caran d’Ache kam etwa bereits Ende 2015 zum Zug: Der Bund bestellte unter anderem «Ecridor»-Kugelschreiber und Farbstifte bei der Fabrik. Das Kostendach dafür lag bei 526000 Franken. Im März 2016 war die Schwyzer Manufaktur Victorinox an der Reihe – 740000 Franken überwies der Bund für 40000 Exemplare der «Swisscard», einem Sackmesser im Kreditkartenformat.
Auf Anfrage unterstreicht das EDA den Stellenwert der Edelpräsente. «Mit ihnen wird ein Stück Schweiz geschenkt, weshalb die Swissness und das Storytelling zentral sind», erklärt Sprecher Pierre-Alain Eltschinger. Sämtliche Produkte seien individuell gestaltet und verpackt. Die freihändigen Vergaben begründet das EDA damit, dass jeweils nur eine Firma für den Auftrag in Frage gekommen sei. Es handle sich um Ausnahmen. Jedes der Produkte verfüge, so der Behördensprecher, «über eine relevante Einzigartigkeit, so dass keine Alternative zur Verfügung steht».
Stimmt das wirklich? Wer sich bei Beschaffungsrechtlern umhört, stösst auf Zweifel. Namentlich will sich aber niemand zum konkreten Fall äussern. Doch die Praxis des EDA sorgt für Stirnrunzeln. Vergaben ohne Ausschreibung sind lediglich unter klar geregelten Ausnahmeklauseln zulässig; etwa wenn wegen des Schutzes von geistigem Eigentum nur ein Anbieter in Frage kommt. Tatsächlich besitzen die Lieferanten die Exklusivrechte für ihre Produkte. Victorinox-Sackmesser gibt es nur bei Victorinox, die «Magnet Clock» mit Bahnhofsuhr-Design nur bei Mondaine.
Klar ist auch, dass der Bund bei Geschenken faktisch verpflichtet ist, Swissness zu kaufen. Niemand würde bestreiten, dass die offizielle Schweiz ihre Gäste nicht mit Uhren aus Japan oder Taschenmessern aus amerikanischer Produktion beschenken kann. Die Heimatpflicht ist das eine, das Korsett des Beschaffungsrechts das andere.
Der daraus resultierende Zielkonflikt ist aber bei weitem nicht so einengend, wie es das EDA suggeriert. Illustrieren lässt sich das am Beispiel Uhren: Warum werden die Zeitmesser für die VIP-Kategorie aktuell ausschliesslich bei Mondaine geordert? Trotz der besonderen Umstände mache es sich das EDA zu einfach, sagen die Experten übereinstimmend. Es könnte mehrere Angebote bei hiesigen Herstellern einholen – auch im Rahmen einer freihändigen Beschaffung. «Man könnte sogar eine Ausschreibung durchführen und diese so gestalten, dass ein breiter Kreis von Herstellern mit ikonischen Produkten aus der Schweiz daran teilnehmen kann», geht ein spezialisierter Jurist noch weiter. Ein hochrangiger Vertreter der Uhrenindustrie sagt: «Niemand würde es ablehnen, den Bund mit seinen Produkten zu beliefern.» Rund 700 Unternehmen sind hierzulande in der Uhrenindustrie tätig. Viele produzieren Klassiker, etliche Modelle bewegen sich in der tieferen Preisklasse. Und selbst Tischuhren, wie sie der Bund offenbar bevorzugt, gibt es in verschiedensten Ausführungen.
Wobei es nochmals ein anderer Punkt ist, weshalb ausgerechnet solche angeschafft werden müssen. Damit zur Kernfrage: Wer bestimmt, dass just Uhren oder Schreibgeräte ins Sortiment kommen? Was ist mit anderen Traditionsprodukten, die hierzulande produziert werden? Die Antworten auf diese Fragen bleiben lückenhaft. Angesprochen auf die Kriterien, nach denen die VIP-Geschenk ausgewählt werden, antwortet das EDA ausweichend. Ziel sei es, lässt Sprecher Eltschinger ausrichten, «durch ausgewählte Produkte Schweizer Inhalte und Werte zu kommunizieren». Zudem solle die «Wahrnehmung des Landes» positiv beeinflusst werden. Es bleibt also das Geheimnis der Berner Amtsstuben, warum nur wenige Firmen teilhaben dürfen, während andere nicht einmal eine Chance bekommen, sich für die Liste der Hoflieferanten zu bewerben.
Auch der Bund weiss: In einem Geschenk steckt mehr als sein Nutzwert. Dem Beschenkten signalisiert es Zuneigung. So wirbt auch die Schweiz mit Präsenten um die Gunst von Gästen. Im eidgenössischen Aussendepartement (EDA) ist Präsenz Schweiz für die Beschaffung von Präsenten zuständig. Die Behörde kauft jährlich zwischen 500000 und 600000 Artikel. Das Jahresbudget für die Beschaffung von Produkten zur Information und Promotion beträgt durchschnittlich 1,2 Millionen Franken. Das aktuelle Sortiment umfasst rund 50 Artikel. Ein grosser Teil der Geschenke wird über die Botschaften und Konsulate im Ausland verteilt. Das Sortiment unterscheidet insgesamt drei Kategorien: