Noch bleiben die Hände am Steuerrad

Neben 120 Welt- und Europapremieren sind ab heute am Auto-Salon in Genf bei einigen Autoherstellern auch ihre Forschungen zum selbstfahrenden Auto zu sehen. Lotta Jakobsson von Volvo erklärt, warum wir noch einige Zeit das Lenkrad im Griff behalten werden.

Bruno Knellwolf/Genf
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Der schwedische Autohersteller Volvo führt in Kalifornien ein Design Center, in dem untersucht wird, wie das Innere eines autonomen Fahrzeugs gestaltet werden soll. Zu sehen ist dieses Interieur in Genf. In einer Umfrage geben 57 Prozent der Besucher an, dass sie in einem solchen Auto gerne einen Film oder TV schauen würden. (Bild: Ralph Ribi)

Der schwedische Autohersteller Volvo führt in Kalifornien ein Design Center, in dem untersucht wird, wie das Innere eines autonomen Fahrzeugs gestaltet werden soll. Zu sehen ist dieses Interieur in Genf. In einer Umfrage geben 57 Prozent der Besucher an, dass sie in einem solchen Auto gerne einen Film oder TV schauen würden. (Bild: Ralph Ribi)

Alle Welt spricht über das «selbstfahrende Auto». Beinahe so, als wollten alle das Steuer so schnell wie möglich aus der Hand geben. Also machen wir uns auf Spurensuche am Auto-Salon in Genf. Einer der führenden Autohersteller in der Entwicklung des autonomen Fahrens ist neben Mercedes-Benz Volvo. Am Stand der Schweden wird an einem Beispiel nicht nur gezeigt, wie das Innere eines selbstfahrenden Autos gestaltet werden muss, sondern auch, was die Menschen davon halten.

Eine laufende Umfrage mit bisher über 33 300 Menschen zeigt, dass 73 Prozent der Befragten das Lenkrad lieber selber in der Hand behalten wollen. Das manuelle Fahren halten sie für einen erhaltenswerten Luxus. Nur gerade ein Viertel würde sich auf eine tägliche autonome Reise, zum Beispiel an den Arbeitsplatz, freuen.

«Haltung wird sich ändern»

Lotta Jakobsson, Leiterin am «Volvo Cars Safety Centre» in Göteborg, versteht das. «Wenn jemand fahren will, soll er das tun können. Dafür hat er ja ein Auto», sagt Jakobsson. Doch sei es ihm auf der langen Reise auf der Autobahn langweilig, sollte er sich mit etwas anderem beschäftigen können. Das autonome Fahren sei aber noch nicht mehrheitsfähig, weil uns die Erfahrung fehle. Unsere Haltung in dieser Frage werde sich aber in fünf bis zehn Jahren ändern.

«Ich sehe das an meiner Nutzung der adaptiven Cruise-Control», sagt Jakobsson. Ein Cruise-Control ist ein Teil-Auto-Pilot, der automatisch dank Kameras und Sensoren den Abstand zum vorderen Auto hält, ohne dass die Fahrerin einzugreifen braucht. «Heute nutze ich diese intelligente Geschwindigkeitsregelung so oft wie möglich. Vor zehn Jahren hätte ich dieses System möglicherweise noch abgelehnt. Heute hilft es mir, mich mehr auf den Verkehr zu konzentrieren, anstatt auf den Tacho», sagt Jakobsson.

Zudem ändere sich die Einstellung junger Leute zur Mobilität. Sie hätten oft gar keinen Fahrausweis mehr und seien deshalb sehr am autonomen Fahren interessiert. Welche Bedürfnisse wir in zwanzig Jahren hätten, sei allerdings schwierig vorauszusagen. «Wir denken aber, dass Menschen nicht im Auto schlafen wollen. Und dass sie weiterhin die Kontrolle behalten wollen.»

Diese Kontrolle gilt es aber der Maschine zu übergeben, will man den grössten versprochenen Vorteil des autonomen Fahrens nutzen: Mehr Sicherheit. Das sehen auch die Befragten der Volvo-Umfrage so. 76 Prozent glauben, dass «ein selbstfahrendes Auto meine Familie sicherer machen würde» und etwa gleich viele, dass ein autonomes Auto sie vor schlechten Fahrern schützte. Und gar 83 Prozent denken, dass die Technik in solchen Fahrzeugen sicherer fährt als ein Mensch. Ihr Vertrauen in einen Algorithmus ist somit grösser als ins menschliche Hirn. Allerdings ist das Vertrauen segmentiert: Nicht generell allen Auto-Herstellern würden die Befragten vertrauen. Und mehr als der Hälfte wäre es unkomfortabel, wenn im Auto gar kein Steuerrad mehr zu finden wäre.

Unfall eines Google-Autos

Weitere Zweifel an der Sicherheit wird die aktuelle Meldung über einen Unfall eines selbstfahrenden Autos von Google säen. Im kalifornischen Mountain View ist diese Woche ein Fahrzeug des Elektronik-Riesen beim Spurwechsel in einen Linienbus geknallt. Zwar war das Google-Auto nur mit 3,2 km/h unterwegs und verletzte niemanden. Dieser Unfall ist allerdings nicht der erste eines selbstfahrenden Autos in den USA.

Darf man sein und das Leben anderer also einem Algorithmus anvertrauen? Im «Spiegel» zweifelt Oliver Bendel von der Fachhochschule Nordwestschweiz daran. Es sei fatal, Maschinen komplexe moralische Entscheidungen zu überlassen. Den Satz, «dieses Auto hat ihr Kind getötet nach bestem Wissen und dem neusten Stand der Technik», will er nicht hören. Die ethische Diskussion, wie viel Entscheidungsgewalt man der Maschine überlassen will, müsse zur Zufriedenheit der Bürger beantwortet werden.

Forschungsprojekt «Drive me»

Dazu und für viele weitere Fragen hat Volvo in Schweden das Forschungsprojekt <Drive me> am Laufen, in Zusammenarbeit mit den schwedischen Behörden und Universitäten. «Wir lassen darin im nächsten Jahr hundert Kunden mit autonomen Fahrzeugen herumfahren. Auf ausgewählten Strassen», sagt Lotta Jakobsson. Es sei das weltweit grösste Forschungsprojekt, bei dem normale Fahrer und nicht Ingenieure fahren. «Ich bin mir sicher, dass wir nachher mehr Fragen als Antworten haben werden», sagt Jakobsson. Aber nur so komme man ans Ziel, wirklich autonome Fahrzeuge auf die Strasse entlassen zu können. Der Fragen sind noch viele, wie auch die Volvo-Umfrage zeigt. Beinahe alle denken, dass die aktuellen Gesetze in den Ländern noch nicht kompatibel mit dem autonomen Fahren sind. Auch Versicherungsfragen sind noch ungelöst.

Auf jeden Fall werde das autonome Fahren auch Einfluss auf das Strassenbild haben, sagt Jakobsson. «Möglich sind zum Beispiel schmalere Strassen, durch die autonome Fahrzeuge fahren könnten. «Und dem Auto könnte ich sagen: Parkier selbst. Das wäre schön», sagt Jakobsson. Sicherheit und Effizienz könnten auf jeden Fall verbessert werden. Sinn mache das vor allem auch für Transportzwecke.

Gefährlicher zukünftiger Verkehrsmix

Fahren die autonomen Autos dann wirklich los, werde der entstehende Verkehrsmix zur grossen Herausforderung werden. «Wenn autonome und gewöhnliche Autos zusammen auf der Strasse sind», sagt Jakobsson. Die autonomen Fahrzeuge seien dann miteinander vernetzt, die anderen nicht. Das neue System biete aber nur genügend Sicherheit, «wenn die Autos miteinander kommunizieren können.» Das Auto sei nicht schlauer als der Mensch, der es programmiere. Das autonome Fahrzeug müsse vom Menschen lernen und nutzen, dass es dank der Kommunikationstechnik um die Ecke schauen könne. «Das wird Zeit brauchen», sagt Jakobsson.

Das kann nur bestätigen, wer heute mit einem Teil-Auto-Piloten unterwegs ist, der in vielen teureren Autos zur Verfügung steht. Liegt zum Beispiel Schnee oder Dreck auf dem Sensor, schaltet sich der Auto-Pilot sofort aus und überlässt das Steuer wieder ganz dem Fahrer. Noch sind teil-autonome und wohl auch autonome Fahrzeuge Schönwetter-Autos, die nicht platzsparend hintereinander herfahren, sondern mit grossem Sicherheitsabstand.

Autonomer Mercedes-Benz: Das Forschungsfahrzeug F015. (Bild: Ralph Ribi)

Autonomer Mercedes-Benz: Das Forschungsfahrzeug F015. (Bild: Ralph Ribi)