Grandios mies drauf

Als überzeugter Bassimist erfindet sich Daniel Ziegler im ersten Soloprogramm zwar nicht komplett neu, befreit sich aber von seiner Rolle bei Simon Enzler und Giacobbo/Müller. Eine herrlich-virtuose Lehrstunde in konsequentem Moll.

Michael Hasler
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Daniel Ziegler mimt den missmutigen Musiklehrer. (Bild: Ralph Ribi)

Daniel Ziegler mimt den missmutigen Musiklehrer. (Bild: Ralph Ribi)

HERISAU. Ein Sprint ist kein Mittelstreckenlauf. Und kurze, wiederkehrende musikalische Intermezzi an der Seite von Simon Enzler und Giacobbo/Müller ergeben zusammengenommen noch lange kein eigenständiges Comedyprogramm. Also, wie soll das gehen, die Kunstfigur des dauerverstimmten Bassisten Daniel Ziegler in eine Langform zu übertragen? Bereits wenige Minuten nach dem Start seiner Premiere «Bassimist» im wunderbaren Saal der der Alten Stuhlfabrik in Herisau hat der 43-Jährige die Antwort überzeugend gegeben: indem er all das, was er in seiner jahrelangen Laborarbeit als begnadeter Bassist, Musiklehrer, messerscharfer Beobachter und kreativer Geist angehäuft hat, möglichst ungesteuert auf sein Publikum einwirken lässt.

Charmant wie ein Ziegelstein

Natürlich ist Ziegler auch bei seinem eigenen Programm in etwa so charmant wie ein Backstein. Auf Streicheleinheiten und eine bunte Parade von Zoten und Gags wartet das Publikum an diesem Abend – zum Glück – vergeblich. Stattdessen hat sich diese Miesmuschel eines vom Leben stets genervten und angesäuerten Musikers entschlossen, der Welt zumindest etwas musikalischen Geschmack einzuverleiben. In der Praxis wird der Abend somit zu einer augenzwinkernden musikalischen Grundausbildung, bei welcher der Tiefton-Erzeuger sein Publikum abwechselnd belehrt und beschimpft und zu jeder Zeit durchblicken lässt, wie sehr ihn diese Arbeit eigentlich selber mehr und mehr anödet.

Kluges dramaturgisches Gerüst

Ziegler, der sich bei seinem ersten Soloprogramm zwar von Freunden und seinem Tontechniker beraten liess, erarbeitete die Dramaturgie seines knapp 90minütigen Auftritts weitgehend eigenständig, betont sein Manger Marcel Walker. Tatsächlich wirkt sein Treiben auf der Bühne so natürlich, als ob er dies schon sein ganzes Leben lang täte. Weit weg von seinem wiederkehrenden Wegbegleiter Simon Enzler und noch weiter weg von Giacobbo/Müller verlässt sich Daniel Ziegler innerhalb seines klugen dramaturgischen Gerüsts auf seine wunderbare Musikalität, sein virtuoses Bassspiel und sein natürliches Comedytalent. Denn anders als etwa Simon Enzler ist Daniel Ziegler immer dann am wenigsten überzeugend, wenn er sich zum einen oder anderen vorformulierten Gag hinreissen lässt. In der Umkehrung ist er immer dann besonders komisch, wenn er sich vor allem auf seine Mimik, sein Weltbild in dunklem Moll und seine kauzigen Zwischentöne konzentriert.

Die Welt – ein Bass

Was Ziegler tut und so leicht wirkt, ist Schwerstarbeit – ja Kunst. Wenn er sein Publikum bereits nach zehn Minuten dazu bringt, einen Schlager statt auf 1 und 3 richtigerweise auf 2 und 4 mitzuklatschen oder am Ende des Programms dazu verführt, einen Samba-Sommerhit mitzusingen, belegt dass eindrücklich, wie sehr er die Interaktion mit seinen Schülerinnen und Schülern beherrscht. Musikalische Grundausbildung nennt er das, was er mit seinem Publikum anstellt, sagt er im Verlauf des Abends augenzwinkernd. Und jene umfasst im Geschmacksuniversum des Daniel Zieglers die kritische Auseinandersetzung mit Groove, Harmonielehre, Melodien, Text und natürlich dem Widerstreit von Dur und Moll. Für all dies braucht Ziegler nur einige Sätze, festigt den Stoff stattdessen mit virtuosen Lehrbeispielen auf seinem Bass und flankiert die Unterrichtseinheiten genüsslich mit seiner sauertöpfischen Mimik. Und natürlich wäre Ziegler nicht Ziegler, wenn er ab und an all das Dozierte nicht gleich selber wieder zerschlagen würde: «Ach, das bringt alles nichts bei euch. Am Ende könnt ihr alles vergessen, es braucht nichts, aber auch gar nichts anderes als einen Bass.»

Erstklassiger Musiker

Nach anderthalb Stunden hat der Musiklehrer versagt und der Komiker Ziegler gewonnen. Sein Publikum ist so verblüfft wie vergnügt, fordert natürlich eine obligate Zugabe. Für einen, der sich in den letzten Jahren in eine Schublade hineingespielt hat, ist dieser Abend auch so etwas wie ein Befreiungsschlag. Ziegler hat eine irrwitzig-schwere Form gewählt, sein Publikum über sein TV-Engagement hinaus an sich zu binden. Und er hat vor allem auch eine Form gefunden, zeigen zu können, welch begnadeter Musiker hinter diesem stoisch-nörgelnden Kunstgesicht steckt. Ein Bassist und Multiinstrumentalist, den man national längst mehr feiern müsste, und einer, der sich auch international in seiner Nische messen kann. Was für ein Abend – und ganz ohne Simon Enzler.

Demnächst: 27.5., 20.15 Uhr, Kulturverein Frohsinn in Weinfelden, 4.6., 20 Uhr, Kellerbühne St. Gallen.