Forscher der Universität Konstanz haben einen Roboter entwickelt, der Kunstwerke malt. Werden Künstler damit überflüssig? Nein. Doch der Roboter könnte sie dereinst bei der Arbeit unterstützen. Bald soll der Roboter so etwas wie Kreativität entwickeln.
An den Wänden hängen Gemälde, auf dem Tisch stehen Farbtöpfe, aus denen Farbe geronnen ist, die sich auf der Tischplatte festgeklebt hat. Auf den ersten Blick sieht es in einem der Kellerräume der Universität Konstanz aus wie in einem Künstleratelier. Gemalt hat die Bilder an der Wand aber nicht ein Künstler der Gattung Homo Sapiens, sondern der «Spezies» Roboter. E-David, der elektronische David, wie das System genannt wird, signiert die Bilder denn auch mit «David». Die einarmige rote Maschine malt Landschaften, Porträts und andere abstrakte Gemälde mit Acrylfarbe.
Informatiker Thomas Lindemeier, einer der Entwickler an der Universität Konstanz, befestigt einen Pinsel am Roboterarm. Und schon legt der Roboter los. Behutsam streicht e-David den Pinsel über die Leinwand, tunkt ihn in einen Wasserbehälter, um den Pinsel zu waschen, ehe er zum nächsten Farbtopf wechselt und weiter malt. Ein malender Roboter? Wie geht das?
Als Vorlage dient e-David eine x-beliebige Fotografie, eingescannt, vom Handy oder aus dem Netz. Eine an der Wand installierte Kamera schiesst nun alle paar Minuten ein Foto der Leinwand und gleicht sie mit dem Vorlagenbild ab. Die Kombination aus Vorlagenbild und Leinwand gibt e-David die nötigen Impulse, um den Pinsel an der richtigen Stelle anzusetzen. Weltweit gebe es zwar verschiedene Malroboter, doch keiner sei so intelligent wie David. «Andere Malroboter malen nach einem fix vorprogrammierten Ablauf, bei dem jeder Pinselstrich bereits eingeplant wird, sie drucken das Bild quasi nur aus», sagt Lindemeier. «Unser Roboter dagegen überwacht sich mit Kameras selbst und entwickelt so eine eigene Ästhetik.» Würde e-David zweimal das gleiche Foto als Vorlage verwenden, das gemalte Bild würde am Ende unterschiedlich aussehen, weil der Weg zum fertigen Bild nicht programmiert ist.Tatsächlich haben die Gemälde eine ganz eigene Ästhetik.
Dennoch kann der Roboter Ästhetik nicht bewerten, «er malt also nicht, weil er die Farben schön findet, sondern weil er möglichst nahe ans Eingabebild kommen will», so Lindemeier.
Mit künstlicher Intelligenz könnte sich das aber schon bald ändern. Lindemeier und sein Team arbeiten derzeit an einem intelligenteren e-David. Dieser soll selbstständig dazu lernen. «Wir wollen dem System ein Verständnis von Ästhetik einprogrammieren und ihm etwa die Farbharmonie beibringen, dann würden Bilder ohne Vorlage durch Zufall entstehen.» Der Roboter soll also schon bald über ein gewisses Mass an Kreativität verfügen, eine Eigenschaft, die bisher nur Menschen vorbehalten war.
Die Technologie mache im Bereich künstlicher Intelligenz zurzeit zwar riesige Fortschritte, dennoch erwartet Lindemeier nicht, dass ein Roboter schon in naher Zukunft die Kunst revolutionieren wird, wie das Picasso gemacht habe. Picassos Leistung sei es nicht gewesen, die Farben neu zusammenzumischen, sondern einen völlig neuen Raum für künstlerische Möglichkeiten zu schaffen. «Der Computer müsste diesen Raum zuerst verstehen, um daraus einen neuen Raum des Möglichen zu machen.» Da gebe es im Bereich maschinelles Lernen und künstlicher Intelligenz noch viele Hürden. Dennoch ist Lindemeier sicher, früher oder später wird die Technologie soweit sein. Er nennt als Beispiel die Google-Bilderkennung. «Ein Computer merkt heute, ob es in einem Bild eine Banane hat oder nicht, vor wenigen Jahren dachte man noch, so etwas wird nie möglich sein.»
Werden durch künstliche Intelligenz der Maschinen auch Künstlerinnen und Künstler «Opfer» der Robotisierung? Sind Künstler bald überflüssig? Lindemeier winkt ab. «Ein Malroboter wird die Arbeit von Künstlern lediglich bereichern und ergänzen.» Der Roboter könnte beispielsweise eine Fläche blau malen, während die Künstlerin parallel an anderen Dingen arbeitet. Lindemeier kooperiert bereits mit verschiedenen Kunstschaffenden. «Alle Künstlerinnen und Künstler, die sich am Projekt beteiligen, sind begeistert von den neuen Möglichkeiten, die unser Roboter bietet, sie sehen ihn als Erweiterung ihrer Kunst.» Roboter und künstliche Intelligenz in der Kunst werden völlig neue Möglichkeiten eröffnen, die bisher noch unbekannt sind. Die Maschine wird für die Künstler zum Gehilfen und Werkzeug einer neuen Kunstrichtung, die sich «Robot Art» nennt.
Das Auslagern und Fremdproduzieren ist in der Kunst nicht neu. Bereits der Maler Rubens hat im 17. Jahrhundert in seinem Atelier in Antwerpen Bilder von anderen malen lassen und am Ende lediglich noch Hände und Gesichter der Porträtierten verfeinert und seine Signatur darunter gesetzt. Auch Andy Wahrhol hat in seiner New Yorker «Factory» die meisten Werke von Mitarbeitern produzieren lassen, anders wäre die «Massenproduktion» seiner Kunst nicht möglich gewesen.
Neue Technologien waren für den Menschen schon immer mit Angst und Verlust verbunden. Es sei ähnlich wie bei der Erfindung der Fotografie, erklärt der Informatiker. Bis ins 19. Jahrhundert hätten nur Kunstmaler exklusiv exakte Landschaften reproduzieren können, dann habe die Fotografie diese Aufgabe übernommen. Für Künstler der damaligen Zeit war die Fotografie des Teufels, «heute sehen wir jedoch, wie durch sie eine völlig neue Kunstrichtung entstanden ist».
Kunst? Ist das überhaupt Kunst, was e-David macht? Diese Entscheidung liege im Auge des Betrachters, so Lindemeier. Spannender sei die Frage nach dem Urheberrecht der Werke. Ist der Programmierer, also Thomas Lindemeier, der Urheber, ist es jene Person, die den Knopf drückt, oder ist es e-David gar selbst? Künstliche Intelligenzen in der Kunstproduktion des 21. Jahrhunderts dürften den Begriff «Copyright» weg vom Individuum, hin zum Kollektiv verschieben. «Das Copyright liegt in Zukunft wohl nicht bei einer einzelnen Person oder dem Roboter, sondern bei einem Künstler-Team, bei dem auch die Programmierer involviert sind», glaubt Lindemeier. E-David stört das nicht, er signiert «seine» Bilder trotzdem stolz mit «David».