Stahlbergers Musikmalstunde

Manuel Stahlberger zündet im neuen Soloprogramm ein skurriles Feuerwerk: Bühnennebel, zuckender Tanz-Stahlberger, Heraldik, Jasskarten-Musical, melancholische Songs und eine Malstunde mit selbstgedrehter Crèmeschnitte.

Hansruedi Kugler
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Manuel Stahlberger referiert mit viel Schalk über die Kunst des Zeichnens: «Macht nicht den Fehler, zwei Sonnen zu zeichnen.» (Bild: Urs Bucher)

Manuel Stahlberger referiert mit viel Schalk über die Kunst des Zeichnens: «Macht nicht den Fehler, zwei Sonnen zu zeichnen.» (Bild: Urs Bucher)

ST. GALLEN. Schrecklich-Groteskes herrscht schon im ersten Lied: Der grosse Zeh ist bei minus hundert Grad erfroren in der Gletscherspalte zurückgeblieben – der Abstieg vom hart erkämpften Gipfel führt durch das mysteriöse «Kristalltunnel». Dann zuckt Manuel Stahlberger in Technoparty-Manier im Stroboskoplicht und im Bühnennebel – und fragt atemlos sich und das Publikum: «Isch da Kunscht?» Natürlich eine rhetorische Frage, denn was er an Selbstgebasteltem so alles auf die Bühne zaubert, schmeckt zwar nach unbekümmert-anarchischer Sponti-Hobbyraum-Kunst. Die ist aber einerseits umweht vom grossen Hauch melancholischer Weltbetrachtung. So kennt man Stahlberger seit Jahren. Anderseits sieht man auf der Bühne eine verspielte Hommage an den Dadaismus. Schliesslich feiert man nächstes Jahr dessen 100. Geburtstag.

Skurriles Jasskarten-Musical

Manuel Stahlberger lässt in seiner Malstunde rauchende Kamine aus der Wiese wachsen und selbstgedrehte Zigaretten und Crèmeschnitten auf der Leinwand aufleuchten. Wenig später inszeniert er auf ebendieser Leinwand mit gezeichneten Jasskarten-Königen, -Obern, -Damen und -Bauern ein herzerwärmendes Musical – inklusive Hochzeit, heiligen vier Königen und einem Krippenspiel. Die Dame schenkt dem Ober ihr Herz, er gibt ihr was zu rauchen. Das ist so herrlich hanebüchen, dass man ihn einfach für diesen Ulk lieben muss. Und wenn er sagt, er hoffe, dieses Musical werde demnächst auf der grossen Bühne des Theaters St. Gallen aufgeführt, so mag man darin einen Seitenhieb auf die Musical-selige Ostschweizer Hauptbühne heraushören.

Inkarnation nicht ganz ernst

Ein Polemiker ist Manuel Stahlberger aber auch in seinem neuen Programm nicht. Er ist ein Meister des verspielt Absurden und der Überraschungen: Da liefert er doch tatsächlich ein Evolution-Inkarnation-Videospiel ab. Denn was es mit dem Kristalltunnel auf sich hat, das will er schon noch erklären. Und das geht so: Auf Level 1 ist man zum Beispiel ein Wurm. Den sieht man auf der Leinwand einen Weg entlang kriechen – bis eine Amsel auftaucht. Amsel erwürgen oder sich auffressen lassen? Karmapunkte gibt es fürs Auffressen lassen, es geht ja um Inkarnation in höhere Wesen. Katzenauge ausstechen oder sich fressen lassen, muss sich die Amsel fragen: Klar, fressen lassen, und so geht das weiter, denn man will ja Mensch werden, auch wenn das dann immer komischer wird – bis zum entscheidend-komischen «destiny point» des Kristalltunnels.

Gekreuzte Schwingbesen

Aber Halt. Manuel Stahlbergers neues Soloprogramm ist nicht nur Malkurs und Comic-Stunde in Sachen Esoterik, Jasskarten-Slapstick und Heraldik. Ja, Heraldik: In seiner Wappenkunde gibt es nicht nur Kantons-, Familien-, Sprichwort- und www-Wappen, sondern da tauchen auch Schwingbesen und Kochlöffel auf. Er singt wunderbar von den letzten Familienferien in Schweden, wo sich Vater verfährt und sich vor Zorn den Fuss am Baum verstaucht, von Herrn Lüthi, der im Hobbykeller Bilder mit eigenem Blut malt und sich genau deshalb mit seiner Ex-Frau versöhnt. Oder von den zwei Schulfreunden, die sich nach Jahrzehnten im Hotel treffen und doch nicht zusammen ins Bett steigen. In seinen Liedern schrumpfen immer noch hochtrabende Lebenspläne zu kleinbürgerlicher Melancholie: Stahlbergers Klassiker dieses Genres, «Leaving Eggersriet», gibt es denn auch in diesem Programm. Jenes Lied, in dem die ersehnte Künstlerkarriere in Wien dann doch in der Schüleraufführung in Berg SG landet. «Halbglück», so formulierte kürzlich Silvia Tschui im «Sonntags-Blick» diesen Zustand treffend. Kein Erstickungstod, nur Melancholie. Bei den Zugaben griff Manuel Stahlberger tief in die Klassikerkiste. «Herzige Bueb» und «Neumarkt», das er mit einem aktualisierten Lageplan ergänzte. Denn nach dem Umbau waren Eier und Fleisch vertauscht: «Kein Lied ist je mit mehr Geld kaputt gemacht worden», sagt er achselzuckend.

Die aktuellen Vorstellungen in der Kellerbühne sind alle ausgebucht. Weitere Termine in der Region erst im neuen Jahr: www.manuelstahlberger.ch