Fragiles Figuren-Kabinett

«Zappelzoo» heisst die Ausstellung von Eruk T. Soñschein in der Galerie vor der Klostermauer. Alles ist hier fein in Bewegung, vieles wirkt ein wenig unheimlich und dennoch verspielt.

Martin Preisser
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Eruk T. Soñschein hinter einer Arbeit, mit der sie eine Art Geier-Skelett nachkonstruiert hat. (Bild: Urs Jaudas)

Eruk T. Soñschein hinter einer Arbeit, mit der sie eine Art Geier-Skelett nachkonstruiert hat. (Bild: Urs Jaudas)

In dieser Ausstellung hat man immer ein wenig Angst, anzuecken an den zerbrechlichen Exponaten. Fast wie in ein geheimnisvolles Märchen tritt man ein, in eine verspielte, ja manchmal magische Welt. Hier zeigt eine Künstlerin ihre ganz eigene, zerbrechliche, intime Welt, fein, ein wenig versponnen, aber auch witzig, augenzwinkernd. So als wäre eine Erwachsene in ihr altes Kinderzimmer zurückgekehrt, um ganz versunken und liebevoll die verstaubten oder gar nicht mehr brauchbaren Materialien der Vergangenheit nochmals zu neuem Leben zu erwecken.

Parallele Identität

Eruk T. Soñschein nennt sich die St. Galler Künstlerin Kathrin Rieser mit einem gänzlich fiktiven Namen. Das «T.» stehe für «Trozdem», sagt Soñschein, für ein Trotzdem bewusst ohne «t». Soñschein, das ist für die Künstlerin auch eine parallele Identität zur rationalen Welt, eine Welt eigener Gesetze. Wie in einem Marionetten- oder Puppentheater baut Eruk T. Soñschein neue Figuren, oft an Fäden hängend oder mit Drähten verbunden. Weggeworfenes scheint sie wieder gefunden zu haben und definiert es neu, schickt die alten Materialien wie in einen erneuten Kreislauf und haucht ihnen neues Leben ein.

Die Mechanik begeistert die Künstlerin dieses Phantasie-Figuren-Kabinetts. «Ich möchte eigentlich immer sehen, wie etwas gemacht ist», sagt Eruk T. Soñschein. «Motorisiert» durch Melancholie, Eigenbrötlerei, Neugier und Lebensfreude sei sie. Ihre so überraschenden Figuren treibt sie mit langsam laufenden Motoren an, etwa einem alten Walkman-Motor oder dem Antrieb einer Diskokugel. Sie gibt ihren Figuren Bewegung zurück. In dieser Ausstellung herrscht das Gegenteil von Stillstand. Trotzdem wirkt sie nicht einfach nur interessant oder poetisch, sondern auch ein bisschen beklemmend morbid. Wer steuert da die Bewegung und das «Leben» der Figuren? Wie schnell könnte dieses Zerbrechliche wieder zerbrechen, wie schnell könnte der Motor wieder stillstehen?

Die Künstlerin hat die Fenster der Galerie vor der Klostermauer ganz schwarz verhängt. Man tritt sozusagen wie in ein spezielles Etablissement ein. Eine Arbeit heisst augenzwinkernd «Peepshow». Auch hier Mechanik: Auf einen alten Hebel gedrückt und in die Öffnung geschaut und – hups – ganz schnell zieht eine Frau ihr Kleid ein wenig hinunter und ganz schnell wieder hinauf.

Zitterndes Wesen

Ein andere Frau strickt. Wieder eine andere schnarcht. Ein Schmetterling umkreist eine Art Schrein (oder ist es ein grün beleuchtetes Labor?). Ein zitterndes Wesen drin. Man versteht, warum die grösseren Arbeiten unverkäuflich sind. «Ich muss mich mit den Figuren umgeben und mit ihnen unterwegs sein», sagt Eruk T. Soñschein. Käuflich ist aber ihr «Zappelzoo». Fast wie ein Adventskalender hängen 25 Weckerschächtelchen nebeneinander, in jedem dreht sich ein anderes Tier, ein wenig schummrig beleuchtet. Etwa die «fragile Dalmatiengiraffe» oder der «pensionierte Löwenkönig» oder der «elegante Langhalsstiegelitz».

Spiel des Lebens-Spiels

Das Leben ist fragil und geheimnisvoll gesteuert. Und es gewinnt seinen Wert durch die Phantasie, mit der es gestaltet ist. Man darf liebevoll und verspielt mit ihm umgehen, ohne den Blick für das Schwierige oder Unverständliche zu verlieren: Eruk T. Soñschein spielt dieses Lebens-Spiel mit ihren Figuren, lässt sie in einem neuen Kreislauf sich drehen. Diesen Arbeiten sollte man sich in Stille, ja geradezu in Andacht nähern und ihr Ticken und Quietschen für einen Moment des Ruhigwerdens auf sich wirken lassen.

Bis 24. März, Galerie vor der Klostermauer (Zeughausgasse 8). Do + Fr: 18–20 Uhr; Sa: 11–15 Uhr; So: 10–12 Uhr; Sonntagsapéro: 24.3., 10–12 Uhr