Ein Stück Süden geht verloren

Seit zehn Jahren war sie ein kleiner, aber feiner Hort lateinamerikanischer Kultur. Jetzt schliesst die Casa Latinoamericana. Über zweihundert Veranstaltungen hat das Team hinter sich. Aber ehrenamtliche Arbeit macht mit den Jahren müde.

Martin Preisser
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Zwei der ersten Stunde: Sophia Keller und Manuel Girón vor der Casa Latinoamericana in der Eisengasse. (Bild: Urs Bucher)

Zwei der ersten Stunde: Sophia Keller und Manuel Girón vor der Casa Latinoamericana in der Eisengasse. (Bild: Urs Bucher)

Überall liegen Bücher – auf Deutsch, aber vor allem auf Spanisch. Sie werden gratis abgegeben. Im Raum der Casa Latinoamericana an der Eisengasse 5 herrscht Abschiedsatmosphäre. Achtzig Prozent der rund hundert Mitglieder des Vereins Casa Latinoamericana waren Schweizer. Gesprochen wurde in diesem speziellen Kulturlokal aber meist nur Spanisch. Die Sprache hat der Verein als gemeinsame Klammer für ganz Lateinamerika benutzt, weniger im Fokus waren einzelne Länder.

Eine Kulturplattform

Die Idee, eine Casa Latinoamericana in St. Gallen zu gründen, kam dem Fotografen Manuel Girón in seinem Heimatland Guatemala, wo er von einem Kulturzentrum begeistert war, bei dem in jedem Raum ein anderes Medium seine Heimstatt hatte. Die Casa Latinoamericana, seit zehn Jahren von einem Quintett geführt (neben Manuel Girón: Sophia Keller, Ester Hedinger, Roberto Baumgartner und Marco Ubieto), verstand sich als Plattform für verschiedene kulturelle Aktivitäten: Konzerte, Lesungen, Ausstellungen, Filmvorführungen – im Schnitt zwei Veranstaltungen im Monat. Auf das Konto der Casa Latinoamericana gehen auch die Lateinamerikawochen im Waaghaus, die jeweils kompakt dem ganzen Kontinent gewidmet waren.

Eintritt wurde nie verlangt. Die Stadt St. Gallen und Migros Kulturprozent gaben in den letzten Jahren Defizitgarantien. Die Organisatoren haben alle ehrenamtlich gearbeitet. Für das laufende Programm gingen da schon mal zwei Wochenenden pro Monat drauf, erinnert sich Manuel Girón. Der Grund, warum dieses kleine, spezielle Kulturzentrum jetzt schliesst, ist einfach: «Wir sind müde», sagt Sophia Keller und spricht dabei für das ganze Team.

Interkultureller Austausch

Die Casa Latinoamericana hat nicht auf die üblichen lateinamerikanischen Feste mit Musik und Essen gesetzt, sondern auf verschiedene Facetten von Kultur auf ansprechendem Niveau. «Zehn Jahre sind eine schöne Zeit für eine spezielle Idee», sagen Sophia Keller und Manuel Girón. «Und der schöne interkulturelle Austausch hat uns allen viele unvergessliche Momente und Begegnungen ermöglicht», resümieren die beiden.