Eine Kampfansage an die Schweizer Uhrenindustrie

Swatch, Richemont und Co. müssen sich warm anziehen: Die Übernahme von Tiffany’s hat Folgen für das Schweizer Luxussegment.

Daniel Zulauf
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Schweizer Uhren-Firmen müssen sich warm anziehen.

Schweizer Uhren-Firmen müssen sich warm anziehen.

Bild: Keystone

Mit einer Investition von knapp 15 Milliarden Dollar übernimmt der Luxusgüterkonzern LVMH auch im globalen Schmuckgeschäft die Führung. Die Übernahme von Tiffany’s ist nicht nur eine veritable Machtdemonstration der Franzosen. Es ist auch eine Kampfansage an Swatch Group, Richemont und andere Schweizer Hersteller, deren Zeitmesser längst und immer mehr auch eine Schmuckfunktion erfüllen.

Wirtschaftsredaktor Daniel Zulauf.

Wirtschaftsredaktor Daniel Zulauf.

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Grösse ist im Luxusgütergeschäft unübersehbar zu einem Erfolgsfaktor geworden. Vor 15 Jahren erreichte der kombinierte Marktwert von Richemont und Swatch Group noch nahezu die Höhe von LVMH. Inzwischen thront LVMH mit einer Marktkapitalisierung von umgerechnet rund 225 Milliarden Franken unerreichbar weit über Swatch Group (15 Milliarden) und Richemont (44 Milliarden).

Die französische Kering-Gruppe des bretonischen Unternehmers François Pinault lag 2003 noch gleichauf mit den beiden Schweizern. Doch inzwischen hat auch die Gucci-Besitzerin ihre helvetischen Mitbewerber weit hinter sich gelassen (75 Milliarden Franken).

Der Börsenaufstieg der Franzosen kommt nicht von ungefähr. Sie haben sich mit zahlreichen spektakulären Übernahmen renommierter Modelabels (Dior, Saint Laurent, Gucci, Fendi etc.) grossgekauft und sind dabei auch in die Welt der Uhren und des Nobelschmucks vorgedrungen. LVMH erwirtschaftet mit ihren Schmuck- und Uhrenmarken Bulgari, Chaumet, Hublot, TAG Heuer, Zenith und anderen Beteiligungen einen Jahresumsatz von rund 4 Milliarden Franken.

«Die geballte Kraft grosser Luxusgüterkonzerne stellt Swatch und Co. vor eine schwere Prüfung.»

Mit Tiffany’s steigen die Verkäufe dieser bislang kleinsten Sparte nahezu auf das Doppelte, was einem Jahresumsatz der Swatch Group gleichkommt. Im Zug ihrer Expansion haben die französischen Konzerne auch ihre Rentabilität kräftig gesteigert. Vor 15 Jahren lagen die Schweizer in puncto Eigenkapitalrendite noch in Front. Inzwischen steht die Konkurrenz aus dem Westen auch hier unangefochten an der Spitze.

Es entstehe eine natürliche Tendenz zur Konzentration, wenn gewisse Unternehmen über längere Zeit schneller wachsen als andere, sagt Luca Solca, Luxusgüterspezialist beim amerikanischen Vermögensverwalter Sanford Bernstein. «Sie brauchen nur LVMH oder Kering mit mittelgrossen Mitbewerbern wie Tod’s oder Ferragamo in Italien zu vergleichen.

Diese Firmen können selbstverständlich gut allein weitermachen. Aber es ist auch klar, dass sie im Markt immer weniger wichtig werden, wenn sie das Wachstumstempo der Konkurrenz nicht halten können. Damit schwinden ihre Möglichkeiten, Einfluss auf die Entwicklung der Branche zu nehmen.» Der Branchenexperte sieht Skaleneffekte auf mehreren Ebenen. So böten die grössten Konzerne mit den bekanntesten Marken die attraktivsten Karrieremöglichkeiten.

Sie seien ein Magnet für die weltweit besten Designer und Marketingtalente, die in der Welt der Mode und des Scheins den Takt angeben.

Auch die Flaggschiffläden seien für die Betreiber der grossen Shopping Malls attraktiver, wenn sie ein breiteres Sortiment an Luxusmarken zu bieten hätten, weiss Solca. Umgekehrt kämen so auch die Konzerne selbst zu günstigeren Bedingungen an die besten Standorte. Eine wichtige Rolle spielt zudem der Umgang mit den sozialen Medien als Marketinginstrument.

Die Käufergruppe der 30- bis 40-Jährigen gewinnt an Bedeutung und die Millennials haben andere Vorstellungen davon, wie sie kaufen wollen, als die älteren Generationen. Sie suchen buntere, innovativere Kombinationen und zeigen weder gegenüber dem Online-Handel Berührungsängste noch gegenüber dem Markt mit Luxuswaren aus zweiter Hand.

«Ein Luxushaus, das sich in alle Richtungen ausdehnt, kann die Beziehung zum Kunden besser valorisieren als ein Anbieter mit einem engen Sortiment», glaubt Solca.

40 Jahre nach der Quarzkrise, in der japanische Billiguhren die Schweizer Industrie in Existenznot brachten, kommt eine neue Bedrohung auf die hiesige Traditionsbranche zu. Die geballte Vertriebskraft und die modernen Marketingmethoden grosser Luxusgüterkonzerne stellen Swatch Group und Co. vor eine schwere Prüfung.

Sie zu bestehen, könnte sich als ebenso schwierig erweisen, wie den von der Apple Watch angeführten Trend zu intelligenten, elektronischen Uhren zu kontern.