Kommentar
St.Galler Ständeratswahlen: Dobler könnte für Rechsteiner gefährlich werden

Mit der Kandidatur von FDP-Nationalrat Marcel Dobler kommt Schwung in die eidgenössischen Wahlen im Kanton St.Gallen. Wenn die Bürgerlichen zusammenspannen, steigen ihre Chancen, Paul Rechsteiners Politkarriere zu beenden.

Stefan Schmid
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Stefan Schmid Bild: Benjamin Manser

Stefan Schmid Bild: Benjamin Manser

Nach der Wahl ist vor der Wahl: Kaum ist die Ständeratsersatzwahl über die Bühne, kommen die ersten Herausforderer für das neue St.Galler Ständeratsduo Paul Rechsteiner (SP) und Benedikt Würth (CVP) aus den Büschen. Die FDP versucht mit Nationalrat Marcel Dobler den soeben verlorenen Sitz im Stöckli im Herbst zurückzuerobern.

Dobler ist eine logische und kluge Wahl. Logisch, weil die Partei niemanden sonst aufbieten kann, der das politische Gewicht des amtierenden Nationalrats aus dem Linthgebiet in die Waagschale bringt. Dobler ist in Bern zwar kein Überflieger. Thematisch macht er primär mit Vorstössen im Bereich Cybersicherheit und Digitalisierung von sich reden. Darüber hinaus hat Dobler im Bundeshaus noch keine Stricke zerrissen. Trotzdem muss der 38-jährige Unternehmer derzeit als wohl talentiertester St.Galler Freisinnige bezeichnet werden.

Klug ist die Kandidatur deshalb, weil die FDP damit nur wenige Tage nach der Niederlage von Kantonsrätin Susanne Vincenz gegen Regierungsrat Benedikt Würth signalisiert, dass mit ihr auch im Herbst zu rechnen ist. Die Kampfansage des Freisinns ist nicht nur ernst gemeint. Sie hat auch das Zeug, namentlich den amtierenden SP-Ständerat Paul Rechsteiner nervös zu machen.

Dass der frisch gebackene CVP-Ständerat Würth im Herbst bereits wieder abgewählt wird, ist unrealistisch. SP-Doyen Rechsteiner hingegen hat seine Nachspielzeit im Bundeshaus nicht auf sicher – dafür ist der Gewerkschafter nun einfach schon zu lange im Amt. Seit 1986 sitzt Rechsteiner im Nationalrat. In den vergangenen acht Jahren politisierte der 66-Jährige im Ständerat. Der Vorwurf, er sei ein Sesselkleber, ist nicht von der Hand zu weisen.

Hinzu kommt, dass Rechsteiner dieses Mal nicht mehr auf die Unterstützung seiner ehemaligen Ständeratskollegin Karin Keller-Sutter zählen kann. Keller-Sutter hat mit ihrem beredten Schweigen zur Causa Rechsteiner entscheidendes dazu beigetragen, den Sozialdemokraten ins Amt zu hieven. Die freisinnige Ausnahmepolitikerin hätte es durchaus in der Hand gehabt, mit negativen Stellungnahmen zur Zusammenarbeit mit Rechsteiner dessen Karriere im Ständerat zu verkürzen. Doch die Wilerin tat das Gegenteil – und half so kräftig mit, die Angriffe von CVP und SVP auf Rechsteiner abzublocken.

Tempi passati: Wenn es der FDP in den kommenden Monaten gelingt, eine breite bürgerliche Allianz zu schmieden, könnte es für Rechsteiner am 20. Oktober tatsächlich eng werden. Diese Allianz setzt indes Absprachen nicht nur für die Ständeratswahl, sondern darüber hinaus auch für die Wahl der St.Galler Regierung im kommenden Frühling voraus.

Die Kooperation könnte so aussehen: Die SVP tritt im Herbst bei den Ständeratswahlen nur mit einer Alibi-Kandidatur gegen das bürgerliche Ticket Würth/Dobler an und sichert sich im Gegenzug die Unterstützung von CVP und FDP für einen zweiten SVP-Regierungssitz. Beide Male ginge es gegen die SP. Einmal gegen Paul Rechsteiner. Und im Frühling gegen Gesundheitsdirektorin Heidi Hanselmann, die sich mit dem heiklen Spitaldossier herumschlagen muss und deren Amtsdauer in der Pfalz dannzumal auch schon 16 Jahre beträgt.

Ob es so weit kommen wird, wird sich zeigen. Die Voraussetzungen für einen grossen bürgerlichen Schulterschluss im Kanton St.Gallen waren aber schon schlechter als in diesen Tagen.