Kommentar
Der skandalöse Umgang mit Steuergeld an der HSG

An der Universität St.Gallen rechnen diverse Institute Spesen nach Gutdünken ab. Das Nachsehen haben die Steuerzahler. Die Fälle legen ein eklatantes Führungsversagen offen.

Stefan Schmid
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Stefan Schmid.

Stefan Schmid.

Da dachten wir doch alle, das Gröbste in Sachen Spesenskandal an der HSG sei überstanden. Und jetzt das. Ein interner Revisionsbericht der Finanzkontrolle des Kantons St.Gallen, der dieser Zeitung vorliegt, zeigt im Detail auf, wie mit öffentlichen Geldern an der renommierten Ostschweizer Wirtschaftsuniversität umgegangen wurde.

Die Beispiele sind haarsträubend: Da reist ein Institut für eine Retraite nach Mallorca. Für ein 4-tägiges Seminar werden fast 20 000 Franken in Rechnung gestellt. Da werden Institutsmitarbeiter privat für Gutachten entschädigt, die vom Institut selber in Auftrag gegeben wurden. Und ein Unimitarbeiter lässt sich für zwei Anlässe am selben Tag mit total 5000 Franken entschädigen – 2500 Franken wären der zulässige Maximalbetrag pro Tag. Und zu schlechter Letzt zeigt der Bericht, dass Spesenabrechnungen wiederholt just von jenen Personen signiert wurden, welche die Auslagen selbst getätigt haben. Ist das die Corporate Governance, die die HSG an Vorlesungen predigt? Wer hat noch nicht profitiert? Wer will nochmals?

Nach dem Fall Sester – der Professor hat mutmasslich missbräuchliche Spesenbeträge in sechsstelliger Höhe abgerechnet – machte die Unileitung rund um Rektor Thomas Bieger die Öffentlichkeit glauben, es handle sich um einen Einzelfall. Man gelobte Besserung und schickte sich artig an, das Spesenreglement zu überarbeiten. Der vorliegende Bericht zeigt jetzt aber schwarz auf weiss: An der Uni St. Gallen foutieren sich diverse Institute und deren Angestellte systematisch um die eigenen Richtlinien. Von einem Einzelfall keine Spur. Das ist skandalös.

Es ist nicht so, dass es keine Reglemente oder Vorschriften geben würde, die derlei Machenschaften unterbinden sollten. Man ist damit aber, um es freundlich auszudrücken, sehr grosszügig umgegangen. Interne wie externe Kontrollen haben versagt, sofern es sie überhaupt je ernsthaft gegeben hat. Der lockere Umgang mit öffentlichen Geldern ist an der HSG gewissermassen Bestandteil der Kultur. Verantwortlich dafür ist eine Mischung aus Überheblichkeit, Unfehlbarkeit und Nonchalance, in Einzelfällen gepaart mit Skrupellosigkeit.

Die HSG führt sich auf, als wäre sie eine amerikanische Privatuniversität, die vollkommen unabhängig von staatlichen Auflagen agieren kann. Die HSG finanziert sich zwar so stark wie keine andere Schweizer Hochschule aus privaten Mitteln. Dank diesem Sponsoring kann die Uni überhaupt erst in einer internationalen Topliga mitspielen. Davon profitiert die ganze Ostschweiz. Doch damit ist mitnichten ein genereller finanzieller Freipass verbunden. So lange die Institution zur Hälfte von öffentlichen Geldern abhängig ist, ist sie der Ostschweizer Öffentlichkeit Rechenschaft schuldig.

Wer ist schuld am Schlamassel? Operativer Chef der Universität St. Gallen ist Rektor Thomas Bieger. Er muss für dieses System geradestehen. Würde er nicht per Februar 2020 ohnehin abtreten, müsste man die Frage nach seinem Rücktritt stellen. Bieger machte bisher nicht den Eindruck, als bekäme er die Lage unter Kontrolle. Angesichts der Enthüllungen geraten auch die jüngsten Forderungen des künftigen Rektors Bernhard Ehrenzeller, die Politik solle der HSG bitteschön nicht dreinreden, ins Zwielicht. Das sind, mit Verlaub, nicht mehr die Töne, die sich die Führungsetage auf dem Rosenberg leisten kann. Beat Tinner, FDP-Fraktionschef im Kantonsrat, hat recht, wenn er sagt: «Verschiedene Akteure in Regierung, Universitätsrat und Universitätsleitung haben ihre Führungsverantwortung nicht wahrgenommen.»

Womit die Scheinwerfer unweigerlich zu Bildungschef Stefan Kölliker drehen. Dem SVP-Magistraten ist zugute zu halten, dass er den Ernst der Lage erkannt hat und bei der Anpassung des Universitätsgesetzes Tempo macht. Doch das allein genügt nicht. Kölliker muss jetzt die Zügel resolut in die Hand nehmen und an der HSG für Ordnung sorgen. Ansonsten läuft auch er akut Gefahr, dass ihm dieser Fall um die Ohren fliegt.