Papa-Blog
Papas sind jetzt «Nicht-gebärende Elternteile» – und «Muttermilch» sollen wir auch nicht mehr sagen

Eine australische Universität schlägt vor, auf Begriffe wie Vater und Mutter zu verzichten. Sie seien diskriminierend für Eltern der LGBT-Gemeinschaft. Steuern wir auf eine gender-neutrale Gesellschaft zu?

Jürg Ackermann
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Wunder der Natur: Eine Geburt.

Wunder der Natur: Eine Geburt.

Bild: Getty

Das Gender-Institut der Uni in Canberra macht sich viele Gedanken. Vielleicht zu viele. Dabei durchforstet sie den Dschungel der Sprache und sucht mit der grossen Lupe nach möglichen Diskriminierungen. Ihr neuester Fund: Die Begriffe «Mutter» und «Vater», mit denen Kinder seit Menschengedenken ihre Eltern bezeichnen, sind diskriminierend.

Stattdessen sollen - zumindest in der Wissenschaft - geschlechtsneutrale Begriffe verwendet werden wie «Austragendes Elternteil» für die Mutter und «Nicht-gebärendes Elternteil» für den Vater. Soll heissen: Es wird niemand ausgeschlossen, insbesondere auch nicht Eltern von denen einer eine Transgender-Person ist, deren Geschlechtsidentität sich nicht genau festlegen lässt. Sie könnte sich durch eine klare Bezeichnung wie «Vater» und «Mutter» potenziell diskriminiert fühlen.

Aber die Überlegungen der australischen Gender-Forscher gehen noch weiter. Um das inklusive Verhalten der Studierenden zu fördern, will das Handbuch der Uni auch das Wort «Stillen» aus dem Sprachfundus verbannen. Und die «Muttermilch» soll durch «Menschliche Milch» oder «Elternmilch» abgelöst werden.

Man muss nicht Fox-News schauen, um das abstrus zu finden

In der Schweiz sind die Wortschöpfungen der australischen Forscher, auf die man erst mal kommen muss, bisher kaum zur Kenntnis genommen worden. In Deutschland hat sich darüber in den letzten Tagen jedoch eine Debatte entfacht. Diese verlief nach altbekanntem Muster.

Wer sich kritisch mit solchen neuen Wortkreationen und den Ideologien dahinter auseinandersetzt, wird sofort in eine Ecke gedrängt, in der sich nur finstere, konservative Gestalten tummeln, die entweder AfD wählen, Fox-News schauen oder sonst irgendwie verwirrt sind.

Man kann jedoch auch keiner dieser Gruppen angehören und diese Wortschöpfungen trotzdem absurd finden. Denn die Erfinder dieser absolut gendergerechten Sprache tun so, als liesse sich die Menschlichkeit einer Gesellschaft an der Verwendung solcher Begriffe messen.

Darum geht es hier aber gar nicht. Denn mittlerweile kippen die Bemühungen, es allen Recht zu machen, ins Extreme: Wir stellen Eltern, die nicht der Norm entsprechen, unter fast schon absoluten Naturschutz und walzen dafür die Sprache platt im Bemühen alle Unterschiede in den Bezeichnungen auf dieser Welt auszumerzen.

Die Angst, wir könnten mit einer Wortschöpfung jemanden nur ansatzweise diskriminieren und ausschliessen, sitzt überall. Offenbar verleitet sie uns wie im Falle der australischen Wissenschafter sogar dazu, Jahrtausende alte, mit so vielen Emotionen verbundene Begriffe wie Mutter und Vater, Mama oder Papa, auf den Müllhaufen der Geschichte zu schmeissen, nur um ja niemanden zu diskriminieren.

Der Raum, den diese Diskussionen und die Berichterstattung darüber einnehmen, suggerieren, dass es mittlerweile in jeder Klasse drei Transgender-Kinder hat und mindestens ein Drittel aller Sprösslinge gleichgeschlechtlich orientierte Eltern haben. Dem ist aber bei weitem nicht so.

Natürlich sollen alle die gleichen Chancen haben. Eine Gesellschaft soll die Gleichberechtigung, die Gleichbehandlung auf jeden Fall anstreben, doch im Alltag wird es sie in dieser Absolutheit nie geben, egal in welche Richtung. Benachteiligt fühlt sich ständig jemand.

Kinder sollen weder Buben noch Mädchen sein

Die Diskussion dreht sich ja mittlerweile nicht nur um die korrekte Verwendung von Wörtern. Einige gehen viel weiter: Sie finden, dass das Glück unserer Gesellschaft künftig darin liegt, dass wir unseren Kindern nicht mehr sagen, welches Geschlecht sie haben. Experimente, wie dasjenige von Kyl Myers und Brent Courtney in den USA legen dies zumindest nahe.

Die beiden Eltern erziehen ihr Kind Zoomer «gender­kreativ», das heisst, weder als Junge noch als Mädchen. Sie führen darüber einen ausführlichen Blog. Damit das Kind seine Identität fern von Rollenbildern entwickeln kann, wissen nur die engsten Familienmitglieder, welches biologische Geschlecht Zoomer hat.

Mädchen und Jungs im Kindergarten.

Mädchen und Jungs im Kindergarten.

Bild: Getty

Etwas Ähnliches passiert in Stockholm, wo es offenbar lange Warteschlangen bei den Anmeldungen für den weltweit wohl ersten genderneutralen Kindergarten gibt. Auch dort werden die Kinder nicht als Buben oder Mädchen behandelt, sondern mit geschlechtsneutralen Kunstbegriffen. Auch traditionelle Märchen, beispielsweise von den Gebrüdern Grimm, werden dort keine mehr vorgelesen, weil sie zu stereotype Rollenbilder vermitteln.

Jungs und Mädchen suchen ihre Geschlechterrollen

Dabei stellen sich einige Fragen: Wie soll denn beispielsweise die Anziehung zwischen den Geschlechtern funktionieren, wen am Schluss keiner mehr weiss, ob er Mann oder Frau ist? Denn nicht nur einzelne Soziologen und Psychologen weisen darauf hin, dass es wichtig ist, dass Jungs und Mädchen Geschlechteridentitäten ausbilden, dass sie schon früh herausfinden wollen, wie sie sich vom anderen Geschlecht unterscheiden - gerade in der heutigen Zeit.

Als Nicht-Gebärendes-Elternteil von zwei Buben kann ich nur sagen: Recht haben sie!

Der Autor

Jürg Ackermann lebt mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen (9 Jahre und 7 Jahre) in St. Gallen

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