Manchmal trifft uns Eltern die Jugendsprache unserer Kinder unvermittelt und auf dem falschen Fuss. Nicht immer gelingt die passende Antwort.
Ich gebe es zu. Es war ein anstrengender Tag im Büro. Technische Probleme, aufreibende Sitzungen, Kopfweh. Da fällt am Feierabend der Wechsel in die Familien- und Kinderwelt mitunter etwas abrupt aus. Statt E-Mails, Zahlen und Strategien stehen von jetzt auf gleich aufgeschürfte Knie, ein Lego-Zoo und Hausaufgaben im Zentrum des Universums.
Minuten später sitzen wir zusammen am Tisch beim Abendessen. Ich zu meiner Frau: «Ich muss dir unbedingt erzählen, wie heute... » Tochter (5): «Ich mag das nicht essen.» Eine Gabel fällt zu Boden. Tochter (11): «Heute in der Schule...» Meine Frau zu Tochter (5): «Hast du denn keinen Hunger?» Tochter (11): «Kann ich mal die Konfi haben?» Sie greift mit dem Arm über meinen Teller, dabei kommt ihr Pullover in den Hüttenkäse, worauf ich wirsch ein «Pass doch auf!» von mir gebe.
Stille am Tisch. Für einen kurzen Moment. Dann holt die junge Dame Luft und sagt trocken: «Mann Papi, chill mol dini Basis.»*
*Übersetzung für alle Ü35: Jetzt reg dich doch nicht so auf / Komm mal wieder runter / Halt mal den Ball flach.
Chillen? Ich meine Basis? Hat sie das gerade tatsächlich gesagt? Sprachlos, da fällt mir für einmal keine spontane Antwort ein. Dafür verfinstert sich meine bereits angespannte Laune weiter. In meinem Kopf setze ich zum erzieherischen Gegenschlag an. Ob sie auch nur einen blassen Schimmer habe, was ich heute alles zu tun hatte. Während sie in der Schule nach Turnen und Musik wahrscheinlich auch noch basteln konnte. Sie, die ja noch keine Verantwortung zu tragen habe und gut von Chillen reden könne. Und überhaupt, diese Sprache, hier am Tisch. Grmpf.
Aber nein. So eine Reaktion wäre ja gänzlich uncool und masslos übertrieben. Ich beliess es dann bei einem ermahnenden «Sag nie wieder, ich soll meine Basis chillen», worauf alle am Tisch in lautes Gelächter ausbrachen.
Gar nicht so einfach, erzieherisch jederzeit richtig zu reagieren. Tochter (11) ist ein wahnsinnig anständiges Mädchen. Da liegt ein kecker Spruch alleweil drin. Sie hat dann ein paar Tage später auch noch die Steigerung angewandt und mir mit einem Grinsen empfohlen, ich soll doch mein Leben chillen. Vielleicht ein guter Rat, ein paar Dinge etwas entspannter zu sehen. Zum Beispiel Hüttenkäse am Pullover-Ärmel.
Martin Oswald (39) lebt mit drei Frauen am Stadtrand von St.Gallen. Die eine (35) hatte er um ihre Hand angehalten, die andere (11) bekam er als Patchwork-Geschenk und die dritte (5) ist 100% Self-Made.