Die Stadt St.Gallen muss höher fliegen, wenn sie eine Rolle spielen will: Das schrieb Stefan Schmid, Chefredaktor des St.Galler Tagblatts, in einem Kommentar. Stadtrat Peter Jans mit einer Entgegnung.
Die Diagnose ist hart: Absolute Ideen- und Mutlosigkeit, keine Dynamik kein Programm und kein Plan, dafür Kriechgang und Status Quo – so ist die Stadt St.Gallen nach Stefan Schmid unterwegs. Und keiner da, der die Stadt wirklich weiter entwickeln will.
Da lohnt es sich doch mal zu fragen, ob das denn stimmt und was denn getan werden müsste. Beginnen wir mit dem zweiten: Welche Stossrichtung und welche Lösungsansätze präsentiert denn Herr Schmid?
Die geografische Randlage sollten wir als Chance sehen, Herausragendes zu schaffen, und zwar wirtschaftlich, städtebaulich, kulturell und gesellschaftlich. Ja, das wär’s, mehr ist da nicht. Aber diskutieren sollten wir darüber. Dieser Diskussion würden wir aber immer wieder ausweichen. Soweit der dargelegte Lösungsansatz.
Aber wie steht denn unsere Stadt wirklich da? Mit 80'000 Einwohnerinnen und Einwohnern ist St.Gallen klar das Zentrum der Ostschweiz. Wir haben eine diversifizierte Arbeitsplatz-Struktur, ein breites Kulturangebot, familienfreundliche Betreuungsangebote, einen attraktiven öffentlichen Verkehr, eine zeitgemässe, gut ausgebaute Infrastruktur, viel Grün rund um die und auch in der Stadt. Sozialer Frieden und gute Gesprächskultur sind Realität. Es gäbe noch mehr. Insgesamt darf man wohl sagen: Unsere Stadt bietet eine hohe Lebensqualität.
Herausforderungen und Schwächen haben wir natürlich auch. Die Zentrumsfunktion der Stadt und die damit verbundenen Lasten im Vergleich zu den Gemeinden um uns herum hinterlassen finanziell und steuerpolitisch spürbar negative Folgen. Die Stadt könnte mehr Zuzügerinnen und Zuzüger vertragen, Wohnungen wären da, aber vielleicht nicht die passenden. Für die zukünftige Velostadt ist vieles aufgegleist, aber sichtbar sind wir noch weit vom Ziel entfernt. Die Abhängigkeit von fossilen Energien ist - wie überall - gross.
Der Aufruf zur Diskussion ist richtig und wichtig. Denn es gibt sie, die Ideen und Vorhaben, die das Format zum Herausragenden haben. Beginnen wir mit dem Klimaschutz: Parlament und Stadtrat haben beschlossen, dass St.Gallen bis 2050 emissionsneutral werden soll. Der Beschluss wurde im Wissen darum gefällt, dass uns eine Herkulesaufgabe bevorsteht. Die Ablösung aller fossilen Heizungen und sämtlicher fossil betriebenen Fahrzeuge in nur 30 Jahren braucht Mut, Entschluss- und Investitionsfreudigkeit. Der Energiewende hat die Stimmbevölkerung mehrfach mit über 80 Prozent Ja zugestimmt.
Der Wille zur Klimaneutralität und dessen Umsetzung lässt St.Gallen nicht nur den notwendigen Beitrag zum Weltklima leisten, sondern auch zu einer ökologischeren Stadt werden.
Wohnraum auch für innovativere Wohnformen, Mehrgenerationen-Wohnen, autofreie Siedlungen und mehr gibt es in St.Gallen bisher kaum. Hier kann die Stadt Möglichkeiten schaffen, unterstützen und fördern, unter anderem mit einer noch aktiveren Bodenpolitik, mit einer gezielten Stärkung der Quartiere. Die Wohnraumstrategie zeigt, was zu tun ist. Zusammen mit einer ausgewogenen Innenverdichtung und Freiraum-Förderung machen wir damit unsere Stadt attraktiv. Die kurzen Wege wirken dem Pendlerverkehr entgegen.
Wie andere Städte wird auch St.Gallen vielfältiger, bunter. Der Trend zur multikulturellen Stadt ist eine Chance, die Potentiale unserer Bevölkerung zu nutzen. Die höhere Lebenserwartung führt zu neuen Bedürfnissen der älteren Generation, sei es im Wohn-, Freizeit- oder Betreuungsbereich. Hier können wir zeigen, dass St.Gallen vorausschauend agiert, integriert und unterstützt. Die Attraktivität unserer Stadt hängt nicht zuletzt davon ab, erfolgreich ein solidarisches soziales Zusammenleben aller gesellschaftlichen Gruppen zu ermöglichen.
Mit Arbeitsplätzen in Zukunftsbranchen tragen wir dem Wandel in der Arbeitswelt Rechnung. Mit dem Wegzug von Stadtwerken und Verkehrsbetrieben von der Steinachstrasse entsteht ein Entwicklungsgebiet, wie wir kein zweites haben in der Stadt. Eine gemischte Nutzung mit urbanem Wohnraum und Arbeitsplätzen aus dem Med-Tech- und Medizinalbereich in unmittelbarer Nähe von Kantonsspital und Messegelände bringt Chancen, die wir nicht verpassen dürfen. Unsere Stadt kann hier Einmaliges schaffen.
Die Mobilität ist ebenfalls stark im Wandel. Immer mehr Haushalte in der Stadt verzichten auf ein eigenes Motorfahrzeug. Immer mehr geht es um die Transportbedürfnisse und weniger um ein statusreiches Verkehrsmittel. Der Verkehr muss wie die anderen Bereiche auch klimaneutral werden. Autonom fahrende Autos scheinen nicht mehr allzu fern zu sein. Auf diese Entwicklungen frühzeitig einzugehen, unerwünschte Effekte zu vermeiden und dafür Erwünschtes zu fördern, ist Aufgabe einer lebensraum-orientierten Stadtpolitik.
Kein Knaller, aber viel zu tun.
Für alle zukunftsgerichteten Projekte braucht es Mittel - und die sind immer knapp. Abwägen und Priorisieren ist eine Daueraufgabe. Dass nicht alles und vor allem nicht alles sofort umgesetzt werden kann, ist eine schmerzliche Erfahrung aller, die konkrete Projekte vorantreiben wollen.
Fazit: Die eingangs erwähnte Analyse entpuppt sich als effekthascherische Abrechnung. Den als Phrasen enttarnten Aussagen stehen populistische Sprüche gegenüber, mit denen aber weder ein Staat noch eine Stadt zu machen ist. St.Gallen ist also besser unterwegs als vom Journalisten (in aufwändiger Recherche?) aufgedeckt. Die grossen Würfe und Visionen, die wir angeblich so dringend brauchen, aber die dann immer abstrakt bleiben und nie benannt werden, sind es kaum, was unsere Bevölkerung will.
Die Gestaltungskraft ist da, die Ideen und Projekte vorhanden. Dass nicht mehr und nicht schneller umgesetzt wird, hat verschiedene Gründe: Unsere Abläufe sind nun mal kompliziert geworden, und dann kochen alle nur mit Wasser. Für die kontinuierliche Weiterentwicklung der Stadt, so wie sie von der Bevölkerung gewünscht wird, sind wir gut aufgestellt. Lasst uns weiter gemeinsam mit den Menschen daran arbeiten!