Leserbriefe
Wohlstand retten? Lebensgrundlagen erhalten? Und welche Rolle spielt Klimaschutz dabei?

Zur eidgenössischen Abstimmung über das Klimagesetz am 18. Juni

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Während der «Arena» vom letzten Freitag wurde mir richtig bewusst, welche kritischen Tücken das Klimagesetz in sich birgt. Bundesrat Albert Rösti hat klar darauf hingewiesen, dass im Gesetz als verbindliches Ziel festgelegt sei, dass die Schweiz bis 2050 CO2-neutral werden müsse. Diese Forderung wurde aus der Gletscherinitiative übernommen, allerdings ohne ausdrückliches Verbot von fossilen Brennstoffen ab 2050.

Neben den zeitlich befristeten Fördermassnahmen aus Steuergeldern werden im Gesetzestext die Umsetzungsmassnahmen offen gehalten. Der Bundesrat sei aber dazu verpflichtet, zum Beispiel im Jahre 2035, nach Ablauf der zeitlich befristeten Fördermassnahmen, aufgrund einer neuen Lagebeurteilung neue Massnahmen vorzuschlagen, damit dieses Ziel bis 2050 erreicht werden könne.

Wenn wir unseren in den letzten 80 Jahren erarbeiteten Wohlstand erhalten wollen, ist dieses Ziel der CO2-Neutralität bis 2050 ohne Zwangsmassnahmen nicht zu erreichen. Also wird der Bundesrat ab etwa 2035 zu einschneidenden Verboten greifen müssen. Wir haben es hier also mit einem Rahmenvertrag zu tun, welcher in der ersten Phase niemandem wehtut, für die vollständige Umsetzung in 25 Jahren aber zu rigorosen und sehr teuren Massnahmen führen könnte, wohl ohne damit den Klimawandel beeinflussen zu können. Ich stimme Nein.

Robert Schmid, Rothenburg


So dreiste Falschaussagen wie vor der Abstimmung zum Klimaschutzgesetz habe ich selten erlebt. Gegner reden über alles Mögliche, ausser über das, was wirklich im Gesetz steht. Es geht um die dringend nötige Senkung des CO2-Ausstosses und um entsprechende Schritte, namentlich die finanzielle Unterstützung für den Ersatz alter Öl-, Gas- und Elektroheizungen. Diese Zeitung hat in verdankenswerter Weise einige Falschaussagen korrigiert. So enthält das Gesetz tatsächlich gar keine Verbote.

Warum ist die Senkung des CO2-Ausstosses so dringend? Die Klimaerwärmung darf 1,5 Grad Celsius nicht übersteigen, wenn schwerstwiegende Klima-Kippeffekte vermieden werden sollen (welche auszubaden für alle massiv teurer käme). Dazu darf eine bestimmte Menge CO2 in der Luft nicht überschritten werden. Ohne griffige Massnahmen geschieht dies aber in den nächsten Jahren. Entscheidend ist also nicht primär das Netto-Null-Jahr 2050, sondern der Absenkpfad. Trotzdem tun viele so, als ob wir noch Jahre Zeit hätten, über eventuell unter Umständen vielleicht mögliche Alternativen zu streiten. Fast alle Parteien und weiteren Organisationen sind überzeugt, dass ein geeigneter Kompromiss vorliegt. Stimmen wir Ja, jede Stimme zählt!

Martin Reichlin, dipl. math. ETH, Luzern


Klimaschutzturbos wollen mit der Brechstange vor allem die Energie-, Wohn- und Mietkosten unnötig in die Höhe treiben, ungeachtet dessen, dass gleichzeitig die Versorgungssicherheit sinkt. Das vermeintliche Klimaschutzgesetz schadet der Volkswirtschaft. Es zerstört die Wertschöpfung und gefährdet unseren Wohlstand sowie die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit. Ist es nicht sinnvoll, zur Umwelt mit gesundem Menschenverstand Sorge zu tragen?

Genau auf diesem Weg befindet sich die Schweiz. Klimapolitisch sind wir im internationalen Vergleich vorbildlich unterwegs. Der gesamte schweizweite CO2-Ausstoss beträgt jährlich rund 35 Millionen Tonnen. Das ist weniger als 0,1 Prozent (ein Tausendstel) der weltweit menschengemachten CO2-Emissionen. Zum Vergleich: China produziert an einem Tag gleich viel CO2 wie die Schweiz in einem ganzen Jahr.

Unser Land ist ein Einwanderungsland. Die Bevölkerung wächst stetig. Demzufolge steigt auch der Energie- und Strombedarf kontinuierlich. Trotzdem konnte der CO2-Ausstoss in den letzten zehn Jahren um über 20 Prozent gesenkt werden! Das Gesetz macht die Stromversorgung unsicher und massiv teurer. Es bringt dem Klima so viel wie nichts. Wir brauchen eine realistische Energiepolitik. Zwangsvorschriften und Bevormundung sind fehl am Platz. Deshalb Nein.

Robert von Rotz, Fürigen


Argumente gegen das Klimagesetz zeugen von sehr kurzfristigem und kleinräumigem Denken. Als ob es auf der Erde seit Urzeiten nicht schon vielfältiges Leben ohne unser Zutun gegeben hätte, fühlen wir uns als Krone dieser Entwicklung. Der Mensch hat sich die Natur untertan gemacht und nutzt sie auch aus. Oft masslos und ohne Respekt vor dem feinen Zusammenspiel der natürlichen Abläufe; vielfach aus egoistischen Bedürfnissen und ungeachtet auch anderer Lebewesen. Dabei zählt der Mensch im Verhältnis zu den Jahrmillionen, seit es die Erde gibt, zu den jüngsten Arten.

Die Bundesverfassung gebietet uns unter dem Titel Nachhaltigkeit «ein auf Dauer nachhaltiges Verhältnis zwischen der Natur und ihrer Erneuerungsfähigkeit einerseits und ihrer Beanspruchung durch den Menschen anderseits» anzustreben. Es sind klare Ziele, die weltweit verfolgt werden und zu denen wir nach Möglichkeit beitragen müssen. Stattdessen laufen wir Gefahr, unsere Lebensgrundlagen zu zerstören. Noch immer missachten wir eindeutige Warnsignale. Viele wehren sich gegen zukunftsgerichtete Strategien, etwa dagegen, fossile Energien durch erneuerbare zu ersetzen. Während die Gegner Vorlage uns mit steigenden Energiekosten Angst machen, sollten uns die langfristigen Krisen und Gefahren kümmern, hervorgerufen durch klimatische Veränderungen.

Das Klimagesetz enthält weder Verbote noch zusätzliche Abgaben, sondern erlaubt Schritte in Richtung Klimaneutralität. Und jeder Schritt in diese Richtung ist zu bejahen, um auch unser Überleben zu sichern.

Martin Eberli, Horw


Der Klimawandel ist in vollem Gang, wie die immer häufigeren und extremeren Unwetter, Überschwemmungen, Hitzeperioden und Dürren beweisen. Wie stark der Klimawandel und dessen Folgen auch unsere Energieversorgung beeinträchtigen, scheint allerdings vielen Leuten – insbesondere auch Politikern – nicht klar zu sein. So habe ich die Podiums-Teilnehmer an der Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Gesellschaft Kanton Luzern vom 22. Mai in Sempach gefragt, welche Lösungen sie vorschlagen, falls irgendwann die Aare oder sogar der Rhein austrocknen sollten wie der Po in Norditalien im vergangenen Jahr – niemand hat darauf geantwortet.

Ein Austrocknen der Aare und/oder des Rheins würde nicht nur zu Produktions-Ausfällen bei zahlreichen Flusskraftwerken führen. Auch die Atomkraftwerke müssten abgeschaltet werden, da der Kühlkreislauf mit Flusswasser betrieben wird. Dazu kämen die desaströsen ökologischen Folgen. Das Szenario mag auf den ersten Blick unrealistisch erscheinen – aber wer hätte vor wenigen Jahren geglaubt, dass der Po irgendwann nur noch ein Rinnsal sein könnte?

Statt über den Atomausstieg zu jammern und den Stimmbürgern Fake-News aufzutischen, rufe ich die Gegner der Vorlage auf, endlich zukunftsweisende, nachweisbar funktionierende Lösungen aufzuzeigen. Wir tun gut daran, heute unseren Beitrag zu einer nachhaltigen Energieversorgung zu leisten: durch das Abschalten aller unnötigen Energiefresser; durch den konsequenten Einsatz von effizienten Technologien; durch die Nutzung der Potenziale zur Produktion erneuerbarer Energien.

Mit der Annahme des Klimaschutz- und Innovations-Gesetzes machen wir die ersten Schritte auf diesem mit Sicherheit beschwerlichen Weg. Eine Alternative gibt es jedoch nicht – jeder andere Weg führt uns weiter in die Sackgasse und stellt uns vor noch grössere Probleme.

Lukas Huber, Raumplaner und Energieberater, Wauwil


Klimaschäden schaden uns und kosten Milliarden. Der Temperaturanstieg führt zu mehr Hitzewellen, Wassermangel oder Überschwemmungen, Auftauen des Permafrostes, mehr Erdrutschen, mehr Stürmen, mehr Waldbränden, weniger Gletschern, zum Anstieg des Meeresspiegels. Die Schweiz soll bis 2050 den CO2 Ausstoss ganz massiv reduzieren. Die Schweiz erzeugt heute 14 Tonnen CO2 pro Kopf, der globale Durchschnitt beträgt 6 Tonnen. Alle Menschen, alle Staaten sind mitverantwortlich. Das Gesetz unterstützt den Ersatz von alten Öl- und Gasheizungen und Gebäudesanierungen finanziell: keine Verbote oder neue Steuern, sondern Förderung mit Anreizen. Dies nützt auch der Wirtschaft und schafft Arbeitsplätze im Inland. Wir reduzieren die Abhängigkeit von Öl-, Gas- und Uran-Importen aus dem Ausland. Klimaschutz stärkt unsere Energiesicherheit.

AKW als Lösung? Bis ein neues Atomkraftwerk gebaut wäre, würde es rund 20 Jahre dauern. Zudem fehlt ein Standort für ein Endlager der radioaktiven Abfälle. Die Auslandabhängigkeit bei Uran beträgt 100 Prozent. Es gibt genügend einheimische, erneuerbare Energien: Wasser, Sonne, Wind, Erdwärme, Seewärme, Wärmepumpen, Holz. Die jährliche Sonneneinstrahlung auf die Fläche der Schweiz ist 200mal höher als der jährliche Energieverbrauch.

Wer heute den Kopf in den Sand steckt, knirscht morgen mit den Zähnen, sagt das Sprichwort. Bei der Verweigerungspolitik und Nein-Kampagne der SVP vermisse ich konstruktive Lösungsvorschläge. Wir haben noch 27 Jahre Zeit bis 2050. Wenn wir pro Jahr 4 Prozent fossile Energie durch erneuerbare Energien ersetzen, erreichen wir das Ziel von netto Null CO2. Ich bin bereit, diesen Weg zu gehen und stimme Ja!

Bruno Amrhein, Einwohnerrat GLP, Kriens