Leserbrief
CS: Die Bürger haften, aber haben keine Rechte

«UBS bereitete sich seit Oktober vor», Ausgabe vom 19. Mai

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Der gigantische Rekord-Buchgewinn der UBS von – je nach Quellen – bis 51 Milliarden Franken in einem Quartal – stärkt meine Vermutung, dass die CS zu einem einmaligen Schnäppchenpreis verkauft wurde. Die UBS hätte für 3,5 Milliarden bestimmt keine Büchse der Pandora erworben – nicht einmal auf Druck von Bundesrat, Finanzmarktaufsicht (Finma) und Nationalbank. Die gemäss einer UBS-Sitzung vom 20. Februar 2023 «nicht wünschenswerte» Übernahme der CS war schlussendlich nur eine Frage des Preises. Mit rechtlichen Massnahmen hätte die Zwangsehe gar nicht verordnet werden können. Als Alternative wäre höchstens eine Verstaatlichung der CS möglich gewesen. Für die Führung einer solchen Institution hätte der Bund aber keine Fachleute gehabt. Rückblickend wächst der Eindruck, die Steuerzahlenden hätten nur für Hunderte Milliarden Garantien leisten und Risiken tragen müssen, ohne an möglichen Gewinnen partizipieren zu können. Wenn unsere Behörden tatsächlich keine entsprechende Klausel zugunsten des Staates integriert haben, besteht zwischen den Chancen und den Gefahren ein krasses Missverhältnis.

Das Sprichwort «den Pelz verteilen, bevor der Bär erlegt ist», bedeutet, einen Gewinn aufzuteilen, der noch gar nicht erzielt wurde. Meiner Meinung nach hat die Finma im umgekehrten Sinne der Redewendung voreilig und unbedacht gehandelt, als sie einen theoretisch möglichen Verlust zementierte und AT1-Anleihen im Wert von 16 Milliarden Franken für wertlos erklären liess. Auch Pensionskassen könnten dadurch Verluste erlitten haben – und das betrifft erneut das ganze Volk. Ich bin mir bewusst, dass man im Nachhinein immer schlauer ist und unter Zeitdruck eine schnelle Lösung gefunden werden musste. Die Balance von Rechten (auf Gewinne) und Pflichten (Leistung von Garantien und das Tragen von Verlusten) sollte im Allgemeininteresse künftig aber besser im Auge behalten werden.

Rudolf Frauchiger, Emmenbrücke