Analyse
Ungereimtheiten bei der digitalen Medienförderung: Eine Analyse von Verleger Peter Wanner

Die geplante Förderung der digitalen Medien ist auf den ersten Blick ein verständliches Ansinnen. Doch das Gesetz erweist sich bei näherem Hinsehen als Kuckucksei.

Peter Wanner
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Der Bund will den privaten Medien helfen, die seit Jahren mit einem argen Schwund an Werbung konfrontiert sind. Dieser hat sich in der Corona-Krise rasant beschleunigt und ist für viele Zeitungen existenzbedrohend geworden. Die Presse soll jedoch weiterhin unabhängig sein und einen Service Public erbringen können. An sich ein löbliches Unterfangen. Nur muss man dabei aufpassen, dass die Förderung nach einfachen, klaren und transparenten Kriterien erfolgt, den Markt nicht verzerrt und kein bürokratisches Monster aufgebaut wird.

Zu unterscheiden sind drei Formen der Medienförderung. Erstens die «indirekte Presseförderung». Sie soll von 30 Millionen auf 50 Millionen. Franken aufgestockt werden. Die Subventionierung erfolgt über günstigere Zustell-Tarife, die die Post den Zeitungen und Zeitschriften belastet. Profitieren tun hier vorab die kleinen Verlage, deren Zeitungen tariflich stärker unterstützt werden.

Den grossen Zeitungsverlagen wie NZZ, Tamedia und CH Media hilft diese Subvention wenig, denn der Grossteil ihrer Zeitungen wird über die Frühzustellung verbreitet. Bei CH Media macht die Frühzustellung 90 Prozent aus. Diese ist bisher nicht subventioniert worden, obwohl gerade die grossen Tageszeitungen mit Recherche, Information und Einordnung einen wichtigen Service Public erbringen. Der Verband der Schweizer Presse fordert deshalb für die Frühzustellung 60 Millionen Franken, der Ständerat hat diese Summe mit knapper Mehrheit auf 40 Millionen reduziert. Nun steht der Entscheid des Nationalrats bevor.

Die Zeitung ist kein Auslaufmodell. Damit die Abopreise nicht erhöht werden müssen, soll die Frühzustellung gefördert werden.

Die Zeitung ist kein Auslaufmodell. Damit die Abopreise nicht erhöht werden müssen, soll die Frühzustellung gefördert werden.

Keystone

Die Zeitung und deren Online-Kanal ist kein Auslaufmodell

Man kann natürlich einwenden, die Zeitung sei ein Auslaufmodell und die Vertriebsförderung fliesse in den falschen Kanal. Dem ist aber nicht so. Zum einen schreiben die Journalisten immer auch für hochwertige Online-Angebote. Zum anderen wird die Lebensdauer der Zeitungen mittels Frühzustellung eindeutig verlängert. Gerade die ältere Generation will die Zeitung lieber in den Händen halten, zudem möchte sie das Leibblatt zum Frühstück lesen können. Verzichtet man auf eine Förderung der Frühzustellung, müssten die Verlage die Mehrkosten weiterhin auf die Abo-Preise überwälzen, was aber nicht gut ankäme, da die Schmerzgrenze hier längst erreicht ist und Abbestellungen bei jeder Preiserhöhung zunehmen.

Zweitens gibt es die Förderung der privaten elektronischen Medien, der lokalen TV- und Radiostationen. Insgesamt beträgt diese Förderung derzeit 81 Millionen Franken, was 6 Prozent der Gebührensumme von 1, 35 Milliarden. Franken ausmacht. Mit dieser Förderung geht die Pflicht einher, täglich Nachrichten aus der Region zu produzieren, was ohne Gebühren nicht möglich wäre. Geplant ist eine Erhöhung auf 8 Prozent (was 108 Millionen. Franken entspräche). Die SRG bekommt dann immer noch einen stattlichen Fixbetrag von 1,25 Milliarden Franken.

Da die privaten Sender keine Gewinne machen dürfen, fliesst das zusätzliche Geld nicht etwa in die Kassen der Verlage. Sondern es kann zur Verbesserung der journalistischen Qualität eingesetzt werden, zum andern zur Kompensierung der rückläufigen Werbeerträge. Lokale TV-Stationen leben im Durchschnitt zur Hälfte von Werbung, zur anderen Hälfte von Gebühren.

Heikle Digitalförderung

Weiter gibt es die von Bundesrätin Sommaruga geplante Förderung der digitalen Medien. Auf den ersten Blick ein verständliches Ansinnen. Doch das Gesetz erweist sich bei näherem Hinsehen als Kuckucksei. Das Konzept der Förderung scheint noch zu wenig ausgegoren zu sein. Zu viele Fragezeichen und Ungereimtheiten türmen sich hier auf. Der Verordnungsentwurf wirkt zudem überhastet und nicht zu Ende gedacht.

Doch der Reihe nach. Das erste Fragezeichen gehört der fehlenden Verfassungsgrundlage. Das geplante Gesetz bewegt sich auf brüchigem Eis. Mit der Formulierung in der Verfassung, wonach auch «andere Formen der öffentlichen fernmeldetechnischen Verbreitung von Darbietungen und Informationen» gewährleistet seien, kann nicht das Internet gemeint sein. Deshalb braucht es dringend einen Medienartikel in der Bundesverfassung, der alle Medienkanäle umfasst: Print, TV, Radio, Online und Social Media. Letztere sollten allein schon zum Schutz der Demokratie reguliert werden.

Ausserdem sieht der Gesetzesentwurf von Bundesrätin Sommaruga einzig die Förderung von digitalen Bezahlmedien vor. Die digitalen Reichweitenmedien, die es geschafft haben, sich über Werbung zu finanzieren - wie etwa 20 Minuten, Blick, Watson und Nau -, gehen leer aus. Dies ist insofern fragwürdig, als der Gesetzgeber einseitig ein Marktmodell bevorzugt (digitale Bezahlmedien) und das andere (digitale Reichweitenmedien) als nicht förderungswürdig erachtet. Eine Diskriminierung, die einer staatlich inszenierten Wettbewerbsverzerrung gleichkommt - als ob es mit der SRG nicht schon genug wäre.

Holdingklausel schadet den Lokalredaktionen der grossen Titel

Weiter sieht der Gesetzesentwurf eine Holdingklausel und eine sehr starke Degression vor bei den digitalen Abo-Umsätzen. Beides zusammen ist unsinnig. Offenbar geht man beim Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) davon aus, dass die grossen Verlage möglichst wenig erhalten sollten, dafür die kleinen Verlage und die Newcomer überproportional viel. Dahinter steckt wohl die Überlegung, dass die Grossen schon zu viel haben und nicht noch mehr gefördert werden sollten. Als ob bei einem Grossverlag ein digitales Abo-Modell rentabel wäre. Dies ist es mitnichten.

Zu befürchten ist, dass im Departement Sommaruga und dem BAKOM ein gravierender Denkfehler unterlaufen ist. Ein Grossverlag wie Tamedia oder CH Media (mit rund 16 Kopfblättern) hat für alle Lokalausgaben eigene Redaktionen. Diese müssen die digitale Transformation genauso bewältigen wie eine kleine unabhängige Lokalzeitung. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, warum beispielsweise die «Schaffhauser Nachrichten» zehnmal mehr von der Digitalförderung profitieren sollen als die «Thurgauer Zeitung», die den gleichen redaktionellen Aufwand im Lokalen betreibt. Der Unterschied ist einzig, dass Letztere einem Grossverlag angehört.

Das Departement geht hier fälschlicherweise davon aus, die Grossen hätten riesige Skaleneffekte. Dies trifft aber gerade im Lokaljournalismus nicht zu. Einzig für Inhalte der Mantelredaktion gibt es Skaleneffekte, nicht aber bei den Redaktionen in den Regionen. Die redaktionelle Alternative zum «Mantel» ist bei kleinen Verlagen die Nachrichtenagentur sda, die überregionale Informationen zu günstigen Konditionen anbietet. Grossverlage wie CH Media wenden mehr auf und setzen auf eigene Journalisten.

Verteilung der Mittel sollte fair und ausgewogen sein

Wie soll ein Gesetz zur digitalen Medienförderung also aussehen? Im Prinzip geht es um eine faire und ausgewogene Verteilung der vorgesehenen Mittel. Man kann unabhängige Kleinverlage, Newcomer, Einzelmasken und Blogger fördern wollen, aber bitte nicht zu Ungunsten der etablierten Medien, die jetzt schon mit ihren vielen Lokalredaktionen einen wichtigen Service Public erbringen und diesen in Zukunft auch online liefern wollen. Das Überleben dieser Lokalredaktionen – CH Media beschäftigt allein rund 300 Lokaljournalisten - ist beileibe nicht gesichert. Und schon gar nicht, wenn die Förderung diskriminierend erfolgt.

Damit wir uns richtig verstehen: Wir sind nicht grundsätzlich gegen eine Digitalförderung, aber diese muss gut überlegt und ausgewogen sein. Wahrscheinlich ist der Verordnungsentwurf einfach zu schnell entwickelt worden. Ein Markteingriff ist immer heikel.

Es braucht wohl mehr Zeit, mehr Diskussionen und mehr Erfahrung. Will man ein ausgewogenes Fördermodell konzipieren, sollte man nicht allein auf den digitalen Abo-Umsatz abstellen. Ein mindestens so wichtiges Kriterium ist die Reichweite, also die Anzahl Unique Users, über die sich ein journalistisches Portal ausweisen kann. Damit auch etwas gefördert wird, das nachgefragt wird. Im andern Fall besteht die Gefahr einer Förderung für etwas, das das Publikum vielleicht gar nicht sonderlich interessiert.

Und zu guter Letzt: Wer mit der direkten Förderung von digitalen Medien derart Neuland betritt, sollte die Regulierung auf fünf Jahre begrenzen und nach drei Jahren überprüfen, ob das, was man wollte, auch erreicht wurde. Oder ob man die Schrauben aufgrund gemachter Erfahrungen und aufgrund der technologischen Entwicklung nicht stärker anziehen sollte. Denn es gibt trotz schwieriger Aussichten auch Erfolgsmodelle: Zwei pure Online-Player haben es aus eigener Kraft geschafft: Die «Republik» und «watson», zwei der aufsehenerregendsten Neugründungen im digitalen Bereich in den letzten Jahren.