Luci's Flick Flack
Und dann kommt der Tag X, der dein Leben verändern kann

Der zurückgetretene Kunstturner Lucas Fischer schreibt in seiner Kolumne «Luci’s Flick Flack», was ihn in der Welt der Turner gerade bewegt. Diesmal schreibt er über seine Emotionen über den Einzug in den Barren-Final an der EM 2013.

Lucas Fischer
Lucas Fischer
Drucken
Lucas Fischer (links) posiert mit der Silbermedaille an der Siegerehrung an der EM in Moskau. Gold ging damals an den Ukrainer Oleg Stepko (Mitte), Bronze an den Russen David Belyavskiy.

Lucas Fischer (links) posiert mit der Silbermedaille an der Siegerehrung an der EM in Moskau. Gold ging damals an den Ukrainer Oleg Stepko (Mitte), Bronze an den Russen David Belyavskiy.

Keystone

Heute ist an den Weltmeisterschaften in Glasgow der erste Tag der Gerätefinals. Giulia Steingruber turnt an ihrem Paradegerät, dem Sprung. Gewinnt sie heute endlich ihre erste WM-Medaille? Sie hätte sie verdient!

Die Qualifikation ist durch, der Final Tatsache und damit die erste grosse Hürde genommen. Was geht da im Kopf eines Athleten vor? Es ist keine einfache Situation, denn man weiss: Jetzt habe ich die Chance, mein Leben zu verändern und meine Träume wahr werden zu lassen. Als ich 2013 an der EM in Moskau im Barren-Final stand, ging einiges ab in meinem Kopf. Meine Nervosität erreichte ein neues Level.

Nach der Qualifikation konnte ich es kaum glauben, dass ich den Finaleinzug geschafft hatte. Wie konnte das sein? Eineinhalb Jahre lang war ich verletzt – und jetzt das. Geil! Viel ging mir bis zum Final durch den Kopf: Ob ich eine Chance auf eine Medaille hätte oder es nur ein Traum bleiben würde. Es war sehr schwierig, meine Gedanken zu ordnen und klar zu denken. Ich war in einem Rausch. Dann kam der Tag X – ich konnte kaum schlafen und meine Nerven lagen blank. Mir war übel vor Nervosität.

Als ich mit meinen sieben Widersachern auf dem Podium vor dem Kampfgericht stand, war mir noch immer mulmig zumute. Meine Gedanken drehten durch: so viele Leute hier... und sehen die Kampfrichter heute tatsächlich besonders streng aus? Dann wurde ich auch noch als letzter Athlet ausgelost, was die Sache noch heftiger machte.

Aber auf einmal war ich in einem Tunnel, ging jedes Element noch einmal im Kopf durch und stellte sicher, dass jeder Handgriff mental perfekt sitzt. Nun war ich an der Reihe. Ich turnte, als würde es kein Morgen geben. Ich liess meine Emotionen in jede Bewegung einfliessen. Es fühlte sich an, als würde ich einen Tanz am Broadway aufführen. Nach der Übung war mir sofort klar, dass ich noch nie eine bessere Performance abgeliefert hatte. Der Rest ist Geschichte...

Lucas Fischer holte 2013 EM-Silber am Barren. Der 25-Jährige musste seine Karriere vor gut einem Monat aus Verletzungsgründen beenden. Während der Kunstturn-WM schreibt er für «Die Nordwestschweiz» täglich eine Kolumne.