Benjamin Hohlmann leitet in Münchenstein die Kaffeeschule Kaffeemacher. Er war Schweizer und deutscher Kaffeemeister, ist Kaffee-Sommelier und betreibt eine Kaffeefarm in Nicaragua, ein Café in Basel sowie eine Rösterei.
Heute schon einen Kaffee getrunken? Mit grosser Wahrscheinlichkeit war’s ein Blend – eine Mischung von Kaffees aus verschiedenen Herkunftsregionen. Denn der Blend, er ist der Normalfall. Der sortenreine Kaffee hingegen ist ein neueres Phänomen und kommt vor allem im Spezialitätenkaffee vor. Das bedeutet, dass der Kaffee selbst so vielschichtig und hochwertig ist, dass er sortenrein überzeugt.
Fast alle Markenkaffees und der Grossteil der Kaffees im Supermarkt ist geblendeter Kaffee.Mit einem Blend lässt sich aus relativ günstigen Kaffee-Komponenten ein über das Jahr gleichbleibendes Geschmacksprofil schaffen. Ändert sich die Qualität der einzelnen Sorten oder verteuert sich deren Preis an der Kaffeebörse, können einzelne Komponenten ersetzt oder in der Menge angepasst werden. Durch die Kombination werden bewusst die Stärken verschiedener Herkunftsregionen genutzt, um eine balancierte Mischung zu erstellen.
So besteht der typische Blend eines italienischen Espresso aus 50 Prozent ungewaschenem Arabica aus Brasilien, 30 Prozent Robusta und 20 Prozent aus gewaschenen Arabicas aus Zentralamerika. Letzterer ist im Dreierbund der komplexeste und eleganteste. Seine eleganten Fruchtsäuren balancieren die Bitterkeit des Robustas; dieser wiederum ist die kräftigste Komponente, trägt zu einem vollen Mundgefühl bei und bildet auf dem Espresso eine ausgeprägte Crema. Der Kaffee aus Brasilien ist ein Füller. Er ist nussig-schokoladig und süss, mit wenig definiertem Charakter – und ist sehr günstig im Einkauf.
Wenn auf einer Packung die Anbauherkunft nicht angegeben wird,können Sie davon ausgehen, dass es sich um eine Mischung verschiedener Kaffees handelt. Der Kaffee ist dann mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht zur Farm zurückverfolgbar. Er wird als Regionskaffee über die Börse gehandelt und nach Grösse sortiert.
Kaffees indes, die zurückverfolgt werden können, sind immer teurer, in der Regel auch hochwertiger. Wenn eine Rösterei direkt von Farmen einkauft, wird sie die Herkunft auf der Verpackung als Geschichte erzählen.
Stattdessen werden rund um die Mischungen andere Geschichten erzählt. Keine präzisen aber: Blumige Marketing-Sprache preist «veredelte Krönungen», berichtet von « handgepflückten und feinsten Arabica-Bohnen» in «ausgewählten Gourmet-Mischungen nach Geheimrezeptur».
Die sensorische und optische Analyse dieser «Geheimrezepte» zeigt, dass die Rohkaffees, Qualitäten und Mischungen oftmals sehr ähnlich sind. Alle Röstereien kaufen Kaffee aus Honduras als «günstige Säure», Brasilien als «Füller» und Bio-Fairtrade Kaffee aus Mexico, Uganda oder Peru.
Was sich unterscheidet, sind die Röstungen und Röstkurven. Es wäre spannend, auf der Verpackung darüber etwas zu erfahren und dafür die nichtssagenden Worthülsen zu streichen.