Kommentar
Ende einer mediokren Premierministerin

Theresa May hat sich ihre Probleme selbst eingebrockt.

Sebastian Borger, London
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Auslandkorrespondent Sebastian Borger.

Auslandkorrespondent Sebastian Borger.

Dass Theresa Mays Amtszeit auf ihr Ende zusteuerte, war seit Dezember bekannt. Nun hat die britische Premierministerin verdeutlicht: Wenn Grossbritannien wie mit dem EU-Rat vereinbart am 22. Mai aus der Gemeinschaft ausscheidet, betrachtet sie ihre Aufgabe als erledigt an.

Allerdings – das „wenn“ ist entscheidend. Der Austrittstermin gilt ja nur für den Fall, dass das Unterhaus dem mit Brüssel vereinbarten Paket aus Scheidungsvertrag und politischer Zukunftserklärung zustimmt. Gemessen an den Reaktionen in der konservativen Fraktion kann dies keineswegs als garantiert gelten.

May hat sich das Leben selbst schwer gemacht. Sie setzte auf den harten Brexit, also den Austritt aus Binnenmarkt und Zollunion. Dadurch entstand völlig unnötig das Problem der inneririschen Grenze. Kooperationswillige Oppositionsvertreter stiess sie vor den Kopf. Bei der vorgezogenen Unterhauswahl büsste sie die konservative Mehrheit an. Panikartig machte sie sich zum Gefangenen der erzkonservativen Unionistenpartei DUP.

Nie hat sich die Premierministerin entschlossen jenen Brexit-Ultras entgegengestellt, die dem Chaos-Brexit („No Deal“) das Wort reden. Der angekündigte Rücktritt stellt Mays letzte Trumpfkarte dar: Wenn die Ultras bald einen der Ihren zum Premier machen können, so lautet das Kalkül, werden sie die vermeintlich bittere Pille des Austrittsvertrags schlucken.

Man muss dem Land und der EU gleichermassen wünschen, dass Mays Rechnung aufgeht. Die 62-Jährige war eine höchstens mediokre Premierministerin. Wer aber die Phalanx der möglichen Nachfolger inspiziert, fühlt sich an die alte Weisheit erinnert: Es kommt nichts Besseres nach.