Dorers nächster Halt
Die sechste Generation geht für die Fahrgäste in die Knie

Chefredaktor Christian Dorer durfte am Samstag erstmals im allerneuesten Fahrzeug des Regionalbus Lenzburg herumkurven. Dies lädt dazu ein, einen nostalgischen Blick in die Vergangenheit zu werfen.

Christian Dorer*
Christian Dorer*
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1. Generation: Ab 1983 nahm der RBL fünf Busses dieses Typs in Betrieb.
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2. Generation: ab 1990.
3. Generation: ab 1994.
4. Generation: ab 2000.
5. Generation: ab 2008.
Dorers nächster Halt – Die sechste Generation

1. Generation: Ab 1983 nahm der RBL fünf Busses dieses Typs in Betrieb.

Christian Dorer

Am Samstag fuhr ich das erste Mal mit dem neuesten Fahrzeug des Regionalbus Lenzburg (RBL), einem wenige Monate alten Mercedes-Gelenkbus. Das Spezielle daran: Es ist der erste Bus einer komplett neuen Generation, schon von aussen deutlich erkennbar an seiner geschwungenen Linie. Für uns Chauffeure hat sich einiges geändert (ich hatte in einer früheren Kolumne über den Einführungskurs geschrieben). Nun hat die Fahrzeugdispo freundlicherweise dafür gesorgt, dass es mich auf diesen Neuling verschlagen hat. Herzlichen Dank – es hat Spass gemacht!

An der Endstation nutzte ich die Pause, um alle Funktionen am Armaturenbrett auszuprobieren. Dabei erinnerte ich mich an die erste Generation von Mercedes-Bussen, die beim RBL unterwegs war und die ich in meinen ersten Jahren als Aushilfschauffeur noch erlebt hatte. Diese Fahrzeuge wurden zwischen 1983 und 1986 beschafft, in der damals typischen öV-Farbe knallorange. Heute wären sie Oldtimer. Und doch konnten sie ein paar Dinge, die der Neue – ein Vertreter der sechsten Generation – nicht kann: zum Beispiel mit offenen Vordertüren herumfahren. Oder Dachluken und Seitenfenster öffnen, so dass es Durchzug gibt, als sässe man in einem Cabrio.

Funktionierte irgendetwas nicht, hatte das immer seine Logik: Der Bus war praktisch frei von Elektronik. Wenn ein Fahrgast auf den «Halt»-Knopf drückte, schlug ein Hämmerchen auf eine Glocke. Heute ertönt ein künstlich erzeugter Pieps.

Aber sonst – Quantensprünge zuhauf: Der Neue hat einen ebenerdigen Einstieg. An den Haltestellen geht er in die Knie, für Rollstuhlfahrer gibt es eine Rampe. Standheizung und Klimaanlage regeln die Temperatur in jeder Lage, der Chauffeur hat Sitzheizung und ein gekühltes Getränkefach. Am Armaturenbrett ist alles digital, dazu kommen drei Bildschirme. Ich kann meinen persönlichen Diesel-Verbrauch ablesen (am Samstag waren es 39,4 Liter auf 100 Kilometer), sieben Kameras im Bus sollen potenzielle Vandalen abschrecken. Seitenspiegel, Sonnenstoren, Seitenfenster – alles elektrisch verstellbar. ABS und ASR sind selbstverständlich, die automatische Schaltung kaum spürbar.

Ein automatisches Fahrgastzählsystem erfasst, wie viele Fahrgäste an welcher Haltestelle ein- und aussteigen. Dazu kommen allerlei Funktionen, die ich noch nicht ausprobiert habe. Für die Fahrgäste gibt es Bildschirme mit Haltestellen- und Zeitangaben, eine elektronische Ansage und bequeme Schalensitze – kein Vergleich zu den ebenfalls orangen Bänken von 1983.

So sinnierte ich am Samstag: Kann eine künftigere Bus-Generation überhaupt noch besser werden? Oder haben wir hier die Vollendung des perfekten Busses? Es kam mir vor wie 2005, als ich ein neues Nokia-Handy kaufte. Es war so klein und leicht, dass es nicht mehr kleiner und leichter werden konnte. Und es hatte ein farbiges Display, das nicht farbiger werden konnte. Damals dachte ich: Das perfekte Handy, da ist kein Fortschritt mehr möglich.

Und dann kam das iPhone ...

* Christian Dorer ist Chefredaktor der Aargauer Zeitung. Er hat den Car-Ausweis und fährt in seiner Freizeit einmal pro Monat beim Regionalbus Lenzburg.