Per Autostopp um die Welt (95/96)
Der Fluch der Karibik

In Woche 95 und 96 auf seiner Reise um die Welt, reist Thomas Schlittler mit seiner Freundin Lea zu Land und zu Wasser von Puerto Jimenez (Costa Rica) nach Cartagena (Kolumbien).

Thomas Schlittler
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Die Karibik soll schön sein, habe ich gehört. Meiner Freundin Lea (rechts) und mir zeigt sie sich aber von ihrer allerhässlichsten Seite.

Die Karibik soll schön sein, habe ich gehört. Meiner Freundin Lea (rechts) und mir zeigt sie sich aber von ihrer allerhässlichsten Seite.

Thomas Schlittler

Die Karibik macht mit unserem kleinen Motorboot, was sie will: Mal rauf, mal runter, mal links, mal rechts – und mit jeder Welle landet eine gesalzene Ladung Meerwasser in meinem Gesicht. Ich habe Tränen in meinen zu Schlitzen verengeten Augen. Und wenn ich das Gemisch aus Meerwasser, Schweiss, Sonnencréme und Tränen mit meinem T-Shirt wegwische, wird es nicht besser. Denn auch das T-Shirt ist patschnass.
So geht das eineinhalb Tage lang. Und da ich weder Buch, Smartphone noch sonst etwas Unterhaltsames aus meinem wasserdichten Sack hervorholen kann, habe ich viel Zeit zum Nachdenken. Oder besser gesagt zum innerlich Fluchen:

Als wir Benzin nachfüllen müssen, wage ich es, meine Kamera für einen kurzen Moment hervorzuholen, um unseren Kampf mit der Karibik festzuhalten.

Als wir Benzin nachfüllen müssen, wage ich es, meine Kamera für einen kurzen Moment hervorzuholen, um unseren Kampf mit der Karibik festzuhalten.

Thomas Schlittler

Platsch, Karibik im Gesicht – und ich verfluche die Regierungen Panamas und Kolumbiens, Umweltschützer, Ureinwohner, Guerillas sowie Drogenkartelle. Denn sie alle sind mitverantwortlich dafür, dass es zwischen Panama und Kolumbien bis heute keine Strassenverbindung gibt. Das Grenzgebiet, der Darién-Dschungel, gilt als eine der gefährlichsten Regionen der Welt. Wer wie ich ohne Flugzeug von Nord- nach Südamerika reisen will – und nicht auf illegale Dschungel-Grenzüberquerungen steht – muss deshalb mit dem Schiff von Panama nach Kolumbien übersetzen.

Thomas Schlittlers Route in den Wochen 95 und 96 (wegen der schwierigen Route zu Land und zu Wasser dieses Mal in drei Teilen):

Google Maps/Thomas Schlittler

Platsch, Karibik im Gesicht – und ich verfluche die Anbieter von Segeltörns, die für den Trip nach Kolumbien pro Person rund 600 Dollar verlangen. Das hätte ich für fünf Tage Segeln, Schnorcheln und Saufen im Inselparadies sogar noch bezahlt. Die Anbieter wollten aber nicht akzeptieren, dass ich mit dem Daumen von Panama-Stadt zum Hafen von Carti reise und nicht mit ihrem überteuerten Shuttle-Bus. Busse sind mit meinem Per-Autostopp-um-die-Welt-Traum nämlich nicht vereinbar. Das bequeme und überdachte Segelschiff fiel als Option deshalb ebenfalls weg.

Per Autostopp um die Welt: Fahrer-Selfies, Städte und Landschaften:

Von Puerto Jimenez nach Golfito_ Vor zwei Wochen in Costa Rica hatten wir es auf der Fähre (CHF 6.-) noch komfortabel.
32 Bilder
Von Golfito nach Paso Canoas: Jeanette überzeugt ihren Onkel Eduardo, uns an die Grenze zu Panama zu fahren - obwohl sie nicht dahin müssen.
Von Paso Canoas nach Santiago: Die Frohnatur Siles (rechts) ist in Plauderlaune und fährt uns ebenfalls viel weiter als er selber müsste.
Er spendiert uns und seinen Ladys auf dem Weg eine Wassermelone.
Und anschliessend gibt es ein Gruppenfoto mit der ganzen Familie.
Die Schönheit Panamas sehen wir nur aus der Ferne. Wir wollen in Südamerika etwas mehr Zeit haben und rasen in Panama nur durch. Sorry!
Von Santiago nach Panama-Stadt: Mit Cesar, unserem zweiten Fahrer in Panama, erreichen wir bereits die Hauptstadt.
Solch eine Skyline haben wir seit Mexico City nicht mehr gesehen.
Beim Panamakanal (Miraflores) studieren wir das ausgeklügelte Schleusen-System.
Die Schiffe müssen insgesamt eine Höhendifferenz von 26 Metern überwinden.
Von Panama-Stadt nach Abzweigung Carti: Lehrer Andres erzählt uns spannende Dinge über Land und Leute.
Von Abzweigung Carti nach Hafen Carti: Alex, der normalerweise Touristen transportiert, macht für uns eine Ausnahme und chauffiert uns gratis.
Unser erster Eindruck der Karibik: Entspanntes Paradies! Zwei Tage später wird alles ein bisschen anders aussehen (siehe Kolumne).
Von Hafen Carti nach Inselsiedlung Carti: Unsere erste kurze Bootsfahrt in der Karibik (CHF 5.-) ist angenehm und wir sind noch sehr relaxed.
Die San-Blas-Inselgruppe gehört zu einem autonomen Gebiet innerhalb von Panama.
Es wird den Kuna Yalas besiedelt, einem Ureinwohner-Stamm. Die Kunas wissen sich äusserts elegant übers zu Wasser bewegen.
Zudem leben die Kunas sehr einfach und auf wenig Platz.
Das WC ist definitiv nie verstopft.
Wie an so vielen Orten auf der Welt trübt leider auch hier der Müll das Landschaftsbild.
Als wir Benzin nachfüllen müssen, wage ich es, meine Kamera für einen kurzen Moment hervorzuholen, um unseren Kampf mit der Karibik festzuhalten.
In dem kleinen Hafenstädchen Puerto Obaldia erhalten wir den Panama-Exit-Stamp. Auch hier darf das Bier natürlich nie ausgehen.
Von Puerto Obaldia nach Capurgana: Für weitere 20 Franken geht es mit diesem Boot über die Wassergrenze nach Kolumbien.
Klatschnass erreichen wir Kolumbien. Der Regen verschont uns aber auch hier nicht.
Von Capurgana nach Necocli: Am nächsten Tag geht es in 1,5 Stunden ans erschlossene Festland - wettertechnisch geht es im gleichen Stile weiter.
Von Necocli nach Cerete: Rolando, unser erster Fahrer in Kolumbien, nimmt uns nicht nur mit, sondern lädt uns auch zu sich nach Hause ein.
Er wohnt zusammen mit seiner Freundin (d.v.r.), deren Mutter (z.v.r.) und der Haushälterin in einem grosszügigen Haus.
Zum Rundumpacket für uns gehört ein typisches kolumbianisches Frühstück und viele gute Infos über das Land.
Und für Lea gibt es sogar eine neue Frisur.
Von Cerete nach San Pelayo: Simea macht nach der Fahrt noch Werbung für uns und erzählt den Leuten, dass man uns ohne Bedenken mitnehmen kann.
Von San Pelayo nach Lorica: Stefanie (l.) möchte irgenwann auch per Anhalter auf Reisen gehen, deshalb lauscht sie aufmerksam unseren Erzählungen.
Von Lorica nach San Antero: Bei Carlos müssen wir das Auto umräumen, damit wir Platz haben. Das machen wir aber natürlich liebend gerne.
Von San Antero nach Cartagena: Pablo ist Kunsthändler und erzählt uns interessante geschichtliche Hintergründe über die Küstenregion.

Von Puerto Jimenez nach Golfito_ Vor zwei Wochen in Costa Rica hatten wir es auf der Fähre (CHF 6.-) noch komfortabel.

Thomas Schlittler
Für die unplanmässige Übernachtung stellt uns eine nette Kuna-Familie in einer Holzhütte Hängematten zur Verfügung. Geld akzeptieren sie für die gute Tat nicht.

Für die unplanmässige Übernachtung stellt uns eine nette Kuna-Familie in einer Holzhütte Hängematten zur Verfügung. Geld akzeptieren sie für die gute Tat nicht.

Thomas Schlittler
Wenn man den Motor unseres «Transportschiffes» betrachtet, wird klar, wieso wir für die Fahrt nicht 8 sondern 13 Stunden benötigen.

Wenn man den Motor unseres «Transportschiffes» betrachtet, wird klar, wieso wir für die Fahrt nicht 8 sondern 13 Stunden benötigen.

Thomas Schlittler

Platsch, Karibik im Gesicht – und ich verfluche die drei Kunas, die mit meiner Freundin Lea und mir im gleichen Boot sitzen. Vor allem ein alter Mann macht mich fertig. Er hat geschätzte 70 Jahre auf dem Buckel, steht aber fast während der gesamten Fahrt kerzengerade auf seinen dünnen Beinen und lässt die übellaunige karibische See über sich ergehen, als ob nichts wäre. Dabei wäre geteiltes Leid doch halbes Leid.
Nach insgesamt 12 Stunden auf dem Boot hat die verfluchte Karibik eine weitere Überraschung für uns parat: Regen. In Strömen. Die letzte Stunde auf dem Schiff können wir deshalb nicht einmal mehr sagen, ob wir von unten oder von oben nass werden. Irgendwann kann ich nicht mehr, es bricht aus mir heraus: Ich muss lachen. Und zwar so laut wie ein Verrückter. Ich schaue nach hinten zu Lea. Als sie mich sieht, muss sie ebenfalls lachen. Sie streckt mir dabei aber ihren Mittelfinger entgegen.
In diesem Moment wird mir bewusst, dass ich der Letzte bin, der sich hier beklagen darf. Wenn jemand Grund hat zum Fluchen, dann ist es Lea – und zwar über mich! Sie könnte jetzt gemütlich im Flugzeug sitzen oder mit dem luxuriösen Segelschiff nach Kolumbien reisen. Stattdessen hat sie seit eineinhalb Tagen die Karibik im Gesicht. Und das nur, weil sie mich bei meinem bescheuerten Vorhaben unterstützt, per Autostopp und ohne Flugzeug um die Welt zu reisen. Gracias - und ein dickes Sorry!

Es war aber nicht alles schlecht in den letzten zwei Wochen. In Costa Rica durften wir mit dem Besuch im Corcovado-Nationalpark ein ganz besonderes Highlight erleben:

Im Corcovado-Nationalpark in Costa Rica machen wir eine zweitägige Wanderung mit einem Guide. Die Wanderung ist nicht ohne.
25 Bilder
Zur Belohnung dürfen wir aber ganz viele exotische Tiere in freier Wildbahn beobachten.
03_Hier meine besten Fotos. Ohne Worte ...
Was Tiere betrifft, war der Ausflug in den Corcovado-Nationalpark wohl das Beste, was ich auf meiner Weltreise bisher gesehen habe.
Einfach nur atemberaubend schön!

Im Corcovado-Nationalpark in Costa Rica machen wir eine zweitägige Wanderung mit einem Guide. Die Wanderung ist nicht ohne.

Thomas Schlittler