Kommentar
Politisch korrekte Sprache: Alle wollen mitreden

In einer deutschen Stadt verordnete man dem Personal den Gebrauch geschlechtsneutraler Worte. In der Schweiz scheut man die Provokation, die mit ungewohnten Zeichen und Begriffen einhergeht.

Pascal Ritter
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Die meisten Menschen bestehen darauf, so zu reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Mancher Literaturliebhaber wiederum kriegt die Krise, wenn Schriftbild oder Sprachfluss durch Sonderzeichen gestört werden. Die Regierung der deutschen Stadt Hannover erfuhr dies, als sie ihrem Personal geschlechtsneutrale Worte wie Kolleg*innen verordnete. «Gender-Gaga» hiess es in der Bild-Zeitung und die Qualitätspresse kam ins Hyperfeuilletonieren. Wenn es um Sprache geht, wird es schnell laut. Alle können mitreden. Dabei muss es gar nicht um geschlechtsneu­trale Begriffe gehen. Das zeigt das Beispiel der Rechtschreibreform, wo jedes Komma einen Streit auslöste. In Hannover ging ob all des Lärms unter, dass die Stadtregierung neben gewöhnungsbedürftigen Gender-Sternchen auch mit originellen Wortschöpfungen aufwartete. Das «Redepult» zum Beispiel ist nicht nur politisch korrekt, weil geschlechtsneutral, sondern auch elegant, weil kürzer als das allzu männliche Rednerpult.

In der Schweiz wird auf den Volksmund mehr Rücksicht genommen als bei unseren Nachbarn. Das liegt zum einen daran, dass die Frage, ob ein drittes Geschlecht offiziell anerkannt werden soll, noch nicht geklärt ist. Das Dossier liegt beim Bundesrat. Zum anderen scheut man die Provokation, die mit ungewohnten Zeichen und Begriffen einhergeht. Und noch etwas lässt hiesige Gleichstellungskämpferinnen zögern. Verschwindet das Geschlecht aus der Sprache, stellt dies auch die Frauenförderung vor ein Problem. Denn es ist gar noch nicht so lange her, da kämpften die Frauen dafür, dass Rednerinnen nicht nur mitgemeint, sondern sprachlich sichtbar werden. Beim Redepult verschwinden sie aber wieder.