Komiker Peach Weber beschäftigt sich in seiner neusten Kolumne um die Frage, was nach dem Sado-Maso-Hype kommt.
Ich spürte es genau, mit jeder Faser des Körpers: Das ist der Moment, was sage ich, das Momentum, der grosse Augenblick der Wende! Prädestiniert, um endlich all das Aufgeschobene, das Unerledigte, das Liegengebliebene in Angriff zu nehmen, voller Tatendrang, in Windeseile zu einem guten Ende zu bringen. Aufgaben, Pendenzen, die mir tagelang schlaflose Nächte bereitet hatten, nun mit voller Schaffenskraft anzugehen.
Euphorie breitete sich in meinem Körper aus, ein wohliges Gefühl des «magic moment», von dem ich oft gehört, aber noch nie am eigenen Leib erfahren durfte. Jetzt kann alles gelingen, alles zu Gold werden, was ich anfasse, ein grossartiges Gefühl, eins zu sein mit dem Universum, ja, praktisch den göttlichen Auftrag zu spüren.
Wie von Geisterhand geführt, erhob ich mich von meinem Stuhl, auf dem ich, vor Sekunden noch, dumpf und lustlos, in der Zeitung geblättert hatte. Getragen von Zuversicht und Vorfreude auf alles, was jetzt kommen werde, strebte ich ins Obergeschoss, öffnete zitternd die Türe, betrat den Raum und ... legte mich ins Bett.
Als ich aufschreckte, war es dunkel draussen. Ich konnte aber nicht auf Anhieb erkennen, ob der Morgen dämmerte oder der Abend dümpelte. Der Schreck fuhr mir in fast alle Glieder: Hatte ich den Termin für die Kolumne jetzt verpasst? Ich heizte den Computer ein und stellte erleichtert fest, dass ich noch ein paar Stunden Zeit hatte. Ein paar Stunden können auch schon mal reichen, um zwei Kolumnen zu schreiben, allerdings nur, wenn man eine Idee hat. Und das ist das hüpfende Komma (die Schwester des springenden Punkts): Eine Idee lässt sich nicht einfach erzwingen. Sie kommt oder kommt nicht.
Apropos «sie kommt oder kommt nicht»: Wäre «50 shades of grey» vielleicht ein Thema? Etwas ausgelutscht, zugegeben, jede Zeitung, jedes Radio hat das Thema durchgekaut. Sogar der Papst, ah, nein, der hat ja nur gesagt, dass man Kinder ein bisschen schlagen darf, wenn es mit Würde geschieht. Also bitte, liebe Eltern, immer drei Ohrfeigen geben und dazu laut rufen: Im Namen des Vaters! Peng! Des Sohnes! Peng! Und des heiligen Geistes! Peng! Es nähme mich nun wunder, ob der Papst auch seine Frau schlägt, wenn ihre Würde dabei gewahrt bleibt. Oh, Fehlüberlegung, der Papst ist ja noch Single ...
Zuerst muss ich betonen: Ich habe nichts gegen eine freie Gesellschaft, es ist noch nicht lange her, da waren die Menschen unter dem Diktat der Moral, das war schrecklich. Da wurden unter dem Deckmantel dieser Moral gewissen Menschen schlimme Sachen angetan. Nach und nach wurden Tabus gelockert, gar zerschlagen, vor allem in der Hippie-Bewegung und in den ominösen 1968ern. Und heute wissen wir nicht mehr, was ein Tabu genau ist, denn wir sind ja so was von frei, juppie! Oswald Kolle und «Emanuelle» haben den Weg bereitet. Dann ein Paukenschlag: «Feuchtgebiete». Eine mittelmässige TV-Moderatorin macht ihre Hämorrhoiden zum sexuellen Hauptdarsteller und verdient Millionen, denn jeder hat das Gefühl, er müsse das Buch kaufen, um mitreden zu können.
Nun, der letzte Knüller: Eine verknorzte Schreiberin macht die Sado-Maso-Tabuzone zum alltäglichen Thema, das bis ins Altersheim diskutiert werden kann. Auch der Zweitklässler kann das jetzt mit seinem Schulschatz durchprobieren, denn es ist ja ganz normal. Der nächste Schritt wird ein Bestseller sein, der endlich die Pädophilie verherrlicht und dann vielleicht noch ein Roman, der die verkannten, schönen Seiten einer Vergewaltigung darstellt usw. Immer mehr wird in die «Normalität» gezerrt, bis wir alles normal finden, vielleicht auch einen kleinen Mord, wenn er nicht allzu ernst gemeint ist?
Vorläufig versuchen sich Sepp und Monika mal an der neuesten Errungenschaft der Normalität, dem Sado-Maso-Heimwerken. Der Baumarkt ersetzt den Sexshop, da gibts doch auch schöne Sachen, mit denen man das verwelkte, häusliche Sexleben aufpimpen kann. Mein Lieblingswitz zum Thema: Der Masochist sagt zum Sadisten: «Komm, bitte quäle mich!» Darauf der Sadist: «Nein!»
Entschuldigen Sie die etwas wirre Kolumne, ich hätte jetzt gerade auch eine bessere Idee. Ich könnte nun eine völlig neue, geniale Kolumne schreiben, aber, wie Sie sehen, tat ich es nicht.