Kommentar
Nobelpreis: Die erste Chance hat das Komitee vertan, eine hat es noch

Die Forscherinnen und Forscher, welche die mRNA-Impfung entwickelt haben wären die logischen Gewinner des diesjährigen Nobelpreis für Medizin gewesen.

Raffael Schuppisser
Raffael Schuppisser
Drucken
David Julius und Ardem Patapoutian wurden mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet.

David Julius und Ardem Patapoutian wurden mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet.

Jessica Gow / Pool / EPA

Wie so oft überrascht das Nobelpreiskomitee auch dieses Jahr. Nichts gegen Forschung zu Rezeptoren für Temperatur und Berührungen in der Haut. Und schon gar nichts gegen die frisch gekürten Preisträger David Julius und Ardem Patapoutian. Sie sind gewiss hervorragende Wissenschafter. Dennoch mutet ihre Wahl für den diesjährigen Medizinnobelpreis seltsam an.

Albert Nobel wollte, dass der Preis jenen zukommt, die mit ihrer Forschung der Menschheit im vergangenen Jahr den grössten Nutzen gebracht haben. So steht es in seinem Testament. Diesem Willen kann selten Folge geleistet werden, da grosse Durchbrüche nicht im Jahrestakt erfolgen, und sich wissenschaftlicher Fortschritt schleichend und über Umwege einstellt. Dieses Jahr wäre der Fall aber klar gewesen: Die Erfindung der mRNA-Impfung hat in der Bekämpfung der Pandemie – der grössten globalen Krise seit dem zweiten Weltkrieg – die Wende gebracht.

Das Nobelpreiskomitee hat sich gegen die naheliegende Wahl entschieden. Es hat damit am Montag die Chance verpasst, zu zeigen, dass die Wissenschaft etwas ist, das uns alle angeht – und einen konkreten Nutzen für unser Leben hat. Es wäre ein willkommener Schritt aus dem Elfenbeinturm gewesen. Vertan.

Oder doch nicht? Es ist nicht ganz auszuschliessen, dass die mRNA-Forscher und Forscherinnen am Mittwoch statt des Preises für Medizin jenen für Chemie erhalten. Das Komitee ist immer für eine Überraschung gut.