Er weiss, worauf es in Krisen ankommt: Thomas Borer war Chef des Krisenstabs «Schweiz – Zweiter Weltkrieg». Der ehemalige Spitzendiplomat und Botschafter in Berlin erläutert in einem Gastbeitrag für die CH-Media-Zeitungen, warum es nicht genügt, wenn der Bundesrat nur kurzfristig Massnahmen kommuniziert.
Wegen der Gefährlichkeit des Coronavirus sind die bundesrätlichen Massnahmen weitreichender und einschneidender als alles, was wir bisher erlebt haben. Unsere Persönlichkeitsrechte sind stark eingeschränkt. Dieser Zustand soll vorerst mindestens bis am 19. April anhalten.
Der Bundesrat wird für seine Massnahmen und seine offene Kommunikation allseits gelobt. Es ist der Landesführung gelungen, Vertrauen zu schaffen. Aber um das Vertrauen zu erhalten, muss die Regierung nun erläutern, was ihr mittelfristiger Plan ist – über den 19. April hinaus!
Die Eltern, die Arbeitnehmer, die Arbeitgeber, die kantonalen und kommunalen Behörden, die Spitäler, wir alle müssen wissen, wie es nach Ostern gemäss Planung des Bundesrates weitergehen soll.
Natürlich muss der Plan flexibel geändert werden, wenn neue Elemente auftauchen. Aber die Grundzüge müssen jetzt verkündet werden. In der Krise schadet nichts mehr als Ungewissheit. Dies sieht man an den Börsenkursen.
Kommt ein weiteres hinzu: Die Politiker, die Medien, die Zivilgesellschaft stellen sich fast ausnahmslos hinter die Strategie des Bundesrates. Dieser so seltene Konsens ist zwar erfreulich. Aber wir dürfen in der Krise die Notwendigkeit einer demokratischen Kontrolle nicht vergessen. Gerade jetzt braucht die Exekutive das Gegengewicht der Legislative.
Zu einem funktionierenden demokratischen Prozess gehört, dass Entscheide und Massnahmen des Bundesrates immer hinterfragt werden. Dies muss ganz besonders gelten, wenn die Regierung Entscheide fällt, die unser Leben auf Jahre prägen werden. Die wirtschaftlichen Verwerfungen, die durch die Entscheide des Bundesrates ausgelöst wurden, sind gravierend. Das Parlament muss diesen Prozess begleiten.
Daher sollte trotz des Aufwandes und der Hindernisse eine ausserordentliche Sondersession einberufen werden. Es ist schwer vorstellbar, dass in der Schweiz keine Event-Location die Infrastruktur hat, 246 Parlamentarierinnen und Parlamentarier in zwei Meter Abstand zueinander zu platzieren. Wir alle müssen jetzt improvisieren und innovativ sein. Das muss auch unserer Bundesversammlung gelingen.