Der Quoten-Becker

Die Traumhochzeit auf RTL! Bei «Exclusiv-Spezial» sah man letzten Sonntag alles. Vor der Kirche, in der Kirche, nach der Kirche. Der Bräutigam plauderte, die Braut heulte und die Gäste waren besoffen. Märchenhaft! Was fehlte, war die erste Nacht des frisch vermählten Paars.

SaW Redaktion
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Das war ein bisschen schade, denn ich habe ständig darauf gewartet, wie am Fussende des Bettes plötzlich die Decke hochgeht und der Kopf von Moderatorin Frauke Ludowig erscheint. Mit dem Mikrofon in der Hand. Aber sonst hatte RTL alles drin und wurde mit einer Sahne-Quote belohnt: 4,6 Millionen (!) Zuschauer waren dabei (plus 160 000 aus der Schweiz).
Jeder fünfte fernsehende Deutsche wollte wissen, wie Boris und seine Lilly – heimlich und in aller Stille – ihre Liebe bejubelten. Ja, ihre Liebe! Lilly war bis 2008 mit einem erfolgreichen US-Unternehmer verheiratet. Wenn sie sich jetzt zu einem arbeitslosen Tennisspieler bekennt, muss das wohl mit Gefühlen zu tun haben.
Von «verkaufter Hochzeit» liest man nun ringsum. Aber hallo, dann stellen wir uns doch neben Boris vor den Traualtar und beweinen das amoralische Treiben. Und liefern gleich noch die Verschwörungstheorie, dass sich der Sittenlose nur mal husch auf eine Verlobung mit Sandy Meyer-Wölden eingelassen hat, um RTL später noch mehr Euro-Millions für die schon geplante Hochzeit mit Lilly abzuknöpfen (Sandy ist also die Ex von Boris, sie ist inzwischen mit Oli Pocher zusammen, er wiederum ist der Ex von Harald Schmidt). RTL zahlt gerne.
Sie kriegen Quote und wissen: Ehe ist die Zeit vor der Scheidung. Und sie wissen, dass eine Promi-Ehe drei kritische Momente kennt: die ersten sieben Sekunden, die ersten sieben Wochen und die ersten sieben Seitensprünge. Frauke Ludowig hält ihr Mikro auf alle Fälle warm und hat Geduld. In begründeter Hoffnung, dass sie diese wohl gar nicht so sehr brauchen wird.
4,6 Millionen Hochzeitsgäste vor dem TV! Und dies fast genau zehn Jahre nach seinem Rücktritt. Die Marke Becker mobilisiert die Massen nach wie vor. Und weil so was auch ganz schön harte Arbeit ist, sollte man Boris wirklich auch mal ein Kompliment machen. Stellen wir uns doch vor, Roger Federer tritt nach Wimbledon 2011 ab – interessierts uns dann 2021 noch, was er und Mirka grade so treiben? Keine Ahnung. Ich auf alle Fälle bin selten sehr aufgeregt, wenn ich mal wieder was von Kurt und Paola zu lesen bekomme.