Freitodbegleitungen
Sterbehelfer müssen Verfahrenskosten bei Sterbetourismus nicht tragen

Die Organisation Dignitas hilft Sterbewilligen aus dem Ausland, sich in der Schweiz das Leben zu nehmen. Der Versuch, den Sterbehelfern die dafür anfallenden Verfahrenskosten zu überwälzen, scheiterte am Montag im Zürcher Kantonsrat.

Matthias Scharrer
Drucken
Im letzten Jahr führte Dignitas 205 Freitodbegleitungen durch (Themenbild).

Im letzten Jahr führte Dignitas 205 Freitodbegleitungen durch (Themenbild).

Keystone

Die gestrige Debatte hatte eine lange Vorgeschichte: 2007 reichten die beiden Volketswiler Kantonsräte Jean-Philippe Pinto (CVP) und Bruno Walliser (SVP) ihre Motion ein. Sie wollten damit insbesondere der Sterbehilfeorganisation Dignitas die Verfahrenskosten überwälzen, die anfallen, wenn Personen mit letztem Wohnsitz im Ausland sich mithilfe von Dignitas im Kanton Zürich das Leben nehmen. Hintergrund waren Widerstände in betroffenen Gemeinden gegen die Aktivitäten von Dignitas. Das makabere Wort vom «Sterbetourismus» war in aller Munde.

Mittlerweile ist es ruhiger geworden um Dignitas und Sterbetourismus. Doch das Thema ist wieder zunehmend aktuell. Nachdem in den Jahren 2008 bis 2010 die Zahl der Freitodbegleitungen durch Dignitas, die vorwiegend Personen mit letztem Wohnsitz im Ausland betrifft, stark zurückgegangen war, stieg sie in den Folgejahren wieder an. Im letzten Jahr führte Dignitas 205 Freitodbegleitungen durch.

Der Kantonsrat hatte die Motion von Pinto und Walliser schon 2010 überwiesen. Doch die daraufhin fällige Gesetzesvorlage des Zürcher Regierungsrats liess auf sich warten. Zuletzt nahm die zuständige Kantonsratskommission die Angelegenheit selbst in die Hand. Ihre Vorlage, die die Verfahrenskosten für die bei Suiziden übliche behördliche Legalinspektion im Falle von Sterbetourismus den Sterbehelfern auferlegen sollte, scheiterte aber gestern im Kantonsrat mit 91 zu 73 Stimmen.

«Juristisch nicht haltbar»

Für die Kostenüberwälzung stimmten SVP, CVP, EDU und BDP; dagegen waren die Fraktionen der SP, Grünen, GLP und FDP. Auch der Vorsteher der Zürcher Justizdirektion, Martin Graf (Grüne), votierte gegen die von der Kommission erarbeitete Vorlage: «Sie können keiner Person Verfahrenskosten auferlegen, wenn diese sich gar nicht strafbar macht», argumentierte er. Die Gesetzesvorlage sei juristisch nicht haltbar.

SP-Sprecher Davide Loss (Adliswil) stiess ins gleiche Horn. Er erinnerte zudem daran, dass die Kantonalzürcher Stimmberechtigten 2011 die Initiative «Nein zum Sterbetourismus» deutlich abgelehnt hatten. Die vorliegende Gesetzesänderung wäre somit nicht nur rechtlich kaum haltbar, sondern auch inhaltlich verfehlt, da sie mit der liberalen Tradition der Schweiz breche.

Silvia Steiner (CVP, Zürich), die als Staatsanwältin von allen Kantonsräten wohl die drastischsten Erfahrungen mit Sterbehilfe-Fällen hatte, hielt dagegen. «Ich rückte schon zu Fällen aus, bei denen das Opfer noch nicht tot war; oder bei denen es krankheitsbedingt gar nicht mehr in der Lage war, das tödliche Pentobarbital einzunehmen. Bei allem Liberalismus: Das ist unwürdig.» Hier eine Hürde einzubauen, sei nur richtig. Motionär Pinto schätzte die behördlichen Kosten auf 3000 bis 5000 Franken pro Fall.

Am Ende überwogen im Kantonsrat jedoch die juristischen Bedenken und das Festhalten an der liberalen Schweizer Tradition in Sachen Sterbehilfe.

Dignitas-Chef Ludwig A. Minelli hält die nun abgelehnte Gesetzesvorlage übrigens bereits im Ansatz für abwegig: «Es ist schon fraglich, ob der Einsatz von Staatsanwaltschaft, Polizei und Amtsarzt überhaupt notwendig sind», so Minelli auf Anfrage. Daher dürfe auch keine Kostenüberwälzung stattfinden.