«Wie Virtual Reality ohne Brille»

Dirk Ahlborn ist CEO der «Hyperloop Transportation Technologies» in Los Angeles. Mit seinen 800 Mitarbeitern aus der ganzen Welt verfolgt er Elon Musks Idee eines Superschnellzugs im Vakuumtunnel weiter.

Interview: Bruno Knellwolf
Drucken

Der Mann lebt in einer anderen Welt. Nicht nur weil Dirk Ahlborn in Kalifornien zu Hause ist. Sein Geschäft ist Vision und Realität zugleich. Eine Vision, die von keinem Geringeren als Tesla- und SpaceX-Chef Elon Musk in die Welt gesetzt worden ist: der Hyperloop. Eine Magnetschwebebahn, die in einer Vakuumröhre mit einer Geschwindigkeit von 1200 Kilometer pro Stunde von Stadt zu Stadt rast. Dirk Ahlborn ist der CEO der «Hyperloop Transportation Technologies» mit Sitz in Los Angeles. Hyperloop plant auch eine Zusammenarbeit mit dem St. Gallen Symposium und der Universität St. Gallen. Ahlborn war Gast des «International Students’ Committee», das Anfang Mai das «49. St. Gallen Symposium» zum Thema «Capital for Purpose» veranstaltet.

Was ist aus Elon Musks Idee eines Hyperloops geworden?

Dirk Ahlborn: Der Hyperloop wurde 2013 von Elon Musk als Alternative zu einem geplanten Hochgeschwindigkeitszug zwischen Los Angeles und San Francisco vorgestellt. Dieser Zug namens «Bullet Train» wäre der teuerste und langsamste Superschnellzug der Welt geworden. Das Projekt ist soeben gestoppt worden. Musk sagte sich damals, wir machen etwas Besseres, den Hyperloop. Doch mit Tesla und SpaceX hatte Musk genug zu tun und deshalb wollte er, dass jemand anders diese Idee weiterverfolgt. Wir waren damals die erste Firma, die am Hyperloop gearbeitet hat.

Die Idee einer Magnetschwebebahn war nicht neu.

Musks Idee eines Hyperloops geht sogar bis ins 18. Jahrhundert zurück. In den 90ern wurde in der Schweiz am Projekt Swiss Metro gearbeitet. Ein Projekt, das unserem sehr ähnlich ist. Swiss Metro plante mit einer relativ grossen Magnetschwebebahn, die im Unterdruck gefahren wäre. Wir haben das Ganze optimiert und kostengünstiger werden lassen.

Viele solcher Schnellbahn-Projekte sind gescheitert. Warum?

Die gescheiterten Projekte waren immer von einer Firma oder einer Regierung abhängig. Regierungen wechseln, Budgets ändern sich und dann ist es Aus mit so einem Projekt. Wir mussten es anders machen: Wir gründeten nicht nur eine Firma, sondern eine Bewegung. Wir sind jetzt über 800 Mitarbeiter in 52 multidisziplinären Teams und arbeiten mit fünfzig Firmen und Universitäten zusammen. Die Mitarbeiter und Firmen bringen ihr Wissen im Gegenzug zu einer Beteiligung in der Firma ein.

Das heisst ohne Gehalt?

Alle Mitarbeiter haben eine Beteiligung an der Firma als Gegenwert. Viele dieser Mitarbeiter sind zumindest auf dem Papier schon Millionäre. Aber das ist das Risiko eines Start-ups. Das kann morgen schon vorbei sein. Die 800 Mitarbeiter sind in Teams von zwei bis sieben Personen organisiert. Das hat den Riesenvorteil, dass die Innovation in verschiedene Bereiche gehen kann und dass man mit Leuten arbeitet, die spezialisiert sind.

An welchen Projekten arbeitet ihre Firma konkret?

Wir haben 14 internationale Verträge in verschiedenen Ländern abgeschlossen. Zwei davon für kommerzielle Strecken in Abu Dhabi und China. In Toulouse haben wir jetzt die ersten 320 Meter Hyperloop gebaut. Dort wird die erste Passagierkapsel fahren, die soeben in Spanien fertig gestellt worden ist. Von einer Firma, die sonst Flugzeugteile baut. Die Kapsel ist denn auch ähnlich wie ein Flugzeug konstruiert.

Wie ist der Stand dieser kommerziellen Strecken?

In Abu Dhabi werden wir mit einer Hyperloop-Strecke von fünf Kilometern anfangen. In China planen wir zuerst mit zehn Kilometern, diese Strecke soll dann auf knapp über 100 Kilometer verlängert werden. Die grösste Hürde für den Hyperloop sind die Regulierung und die Sicherheits-Richtlinien. Wir haben mit der Münchner Rück zusammengearbeitet und der Rückversicherer hat letztes Jahr erklärt, dass er in der Lage ist, die Technologie zu versichern. Das ist ein sehr, sehr grosser Meilenstein für die Kommerzialisierung des Systems. Und die TÜV Süd wird ein Sicherheitsregelwerk zusammenstellen, das wir unsern Partnern weiter geben, um in den verschiedenen Ländern eine Norm für den Bau eines Hyperloops zu erstellen.

Von welchem Zeitrahmen reden wir?

In Abu Dhabi geht das noch knapp drei Jahre bis zum Start. Dann kommt es darauf an, wie schnell das Regelwerk zustande kommt. Deshalb wird es für den kommerziellen Gebrauch noch ein paar Jahre mehr dauern.

Wie sicher ist ein Hyperloop denn?

Das System an sich ist zehn Mal sicherer als ein Flugzeug. Das einzig mögliche Problem ist der Unterdruck im Vakuumtunnel. Wenn im Falle des Falles mal etwas passiert, muss man denn Unterdruck im Tunnel anpassen und dann können die Leute über die Notausgänge den Tunnel verlassen.

Es ist aber trotzdem nicht jedermanns Sache, in einer geschlossenen Kapsel zu reisen.

Man ist ja auch in einer U-Bahn in einer geschlossenen Kabine. Wir haben aber Technologien entwickelt, die das ganze einfacher machen: Virtual Skylines. Der Himmel wird simuliert und in virtuellen Fenstern wird die Umgebung der Zugstrecke abgebildet. Kameras sehen, wo der Passagier hinschaut. Dort entsteht eine optische Vision, als würde der Passagier aus dem Fenster schauen. Sozusagen Virtual Reality ohne Brille.

Welches sind die wichtigsten technischen Verbesserungen in den letzten Jahren?

In der Vakuumtechnologie. Die war früher viel teurer und es brauchte mehr Energie, um das Vakuum im Tunnel beizubehalten. Da hat man von den Entwicklungen im Cern profitiert. Dann sind die Batterien verbessert worden. Die wären vor einigen Jahren noch viel zu schwer gewesen. Das sind die beiden wichtigsten Faktoren.

Werden zuerst Waren transportiert und dann in zweiter Linie Personen?

Nein. Die meisten Anfragen haben wir für Personenverkehrs-Projekte. Man muss mit dem Schwierigen anfangen. Wenn man Leute transportieren kann, geht das auch mit Waren.

Die Spitzengeschwindigkeit des Hyperloops wird wirklich bei 1200 km/h sein?

Ja, knapp unter der Schallgrenze. Schneller geht nicht, weil es viel schwieriger wird, wenn man an die Schallgrenze herankommt.

Verkauft ihr den Hyperloop als Alternative zum Flugverkehr, der in der Klimadiskussion steht?

Vielen graut vor dem Fliegen. Doch wir lösen ein anderes Problem. Keine Bahn oder U-Bahn ist heute rentabel, alle sind von Subventionen abhängig. Die Machbarkeitsstudien zeigen, dass der Hyperloop innerhalb von acht bis 15 Jahren profitabel sein kann. Dank sehr geringer Betriebs- und Wartungskosten.

Wenn sähe Ihr Werbespot für Hyperloop aus?

Unsere Kunden sind nicht die Hyperloop-Fahrer, sondern Betreiber und Politiker. Denen geht es um Wirtschaftlichkeit, das eignet sich nicht für einen Werbespot. Müsste ich einen Spot für Kunden machen, ginge es darin um die Erfahrung beim Reisen. Man kann die Zeit im Hyperloop besser nutzen, man wird nicht wie Vieh zusammen getrieben beim Check-in. Das Reisen wäre einfacher, nahtlos und vielleicht kostenlos.

Kostenlos?

Unsere Vision geht dahin. In bin der Meinung, dass man das Geschäftsmodell verändern kann. Und die Zeit monetarisiert, die der Passagier im Fahrzeug verbringt. Dabei geht es nicht nur um Werbung im Zug, sondern um Dienstleistungen und Daten. Ich nehme jeweils das Beispiel von Videospielen als Erklärung.

Wie lautet diese?

Als ich ein Kind war, durfte ich Videospiele kaufen, die waren recht teuer. Meine Kinder kriegen die Spiele heute meist umsonst, aber die Videospiel-Firmen verdienen trotzdem zehn Mal so viel wie in meiner Jugend. Es ist eine andere Art und Weise der Monetarisierung: Durch Werbung, durch Upgrades und Servicedienstleistungen. Das ist ein Umdenken des Geschäftsmodells. Im 19. Jahrhundert sagte man: Der beste Weg Geld zu verdienen, ist ein Ticket zu verkaufen. Da sind wir stecken geblieben. Kann man aber im Zug die Haare schneiden, verdient der Hyperloop-Betreiber am Coiffeur und nicht am Ticket.

Schneller als ein Verkehrsflugzeug

Das futuristische Transportsystem Hyperloop ist ein Hightech-Vakuumzug, mit dem Reisende mit bis zu 1223 Kilometern pro Stunde in fensterlosen Kabinen von Stadt zu Stadt reisen. In den Vakuum-Röhren herrschen Druckverhältnisse ähnlich jenen im Weltraum. Spulen in den Schienen sowie Magnete und Batterien im Zug ermöglichen dem Hyperloop ein Schweben und Beschleunigen. Die Passagiere werden sozusagen per Rohrpost verschickt. Die Reise von San Francisco nach Los Angeles mit dem Hyperloop würde 36 Minuten dauern. Die Firma Hyperloop Transformation Technologies» rechnet vor, dass auf einer Hyperloop-Strecke täglich 164000 Personen transportiert werden könnten. (Kn.)