Weihnachten
Sagen Sie uns, was für einen Christbaum Sie haben und wir sagen Ihnen, welcher Weihnachtstyp Sie sind

Ob Kerzenständer oder Nordmannstanne: Die Wahl der traditionellen Weihnachtsdekoration sagt einiges über den Charakter aus. Eine küchenpsychologische Typologie.

Martin Oswald
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Opulent oder minimalistisch: Welcher Weihnachtstyp sind Sie?

Opulent oder minimalistisch: Welcher Weihnachtstyp sind Sie?

Karikatur: Tom Werner

Nordmannstanne

Punkto Weihnachten lassen Sie nichts anbrennen. Ausser einer echten, kräftigen Nordmannstanne kommt Ihnen für die Festtage nichts ins Haus. Tradition muss sein, koste es, was es wolle. Warum ändern, was sich über Jahrzehnte bewährt hat und stets alle Herzen am 24. Dezember erwärmt? Auch neumodische Öko-Spielchen, wie etwa Zeitungen als Geschenkpapier zu verwenden, sind Ihnen ein Gräuel. Schliesslich haben Sie Stil und Geschmack. Das beweisen auch die mundgeblasenen Christbaumkugeln aus der Glasi Hergiswil, die von Generation zu Generation in der Familie weitervererbt werden.

Die Nordmannstanne steht für einen bodenständigen Charakter, für bürgerlichen Wohlstand und für ewigwährende Tradition. Sie ist lange haltbar und hat erst noch weiche Nadeln. Kein Wunder also, ist sie mit einem Anteil von fast 80 Prozent der mit Abstand beliebteste Weihnachtsbaum. Den Christbaum-Typ Nordmannstanne erkennt man übrigens bereits am 1. August, wenn er seinen Garten stolz mit Schweizer Fähnchen schmückt. Dass seine Tanne mit 75 prozentiger Wahrscheinlichkeit aus dem Ausland kommt und in hiesigen Wäldern nichts verloren hat, versucht er seit Jahren zu ignorieren.

Fichte

Im Vergleich zur Nordmannstanne ist die Fichte (auch Rottanne genannt) die preiswerte Alternative für alle Fans von echten Christbäumen im Wohnzimmer. Sie verliert allerdings deutlich schneller ihre Nadeln. Doch das nehmen Sie gerne in Kauf, wenn dadurch das Weihnachtsbudget um ein paar Franken entlastet werden kann. Statt Filet im Teig gibt es bei Ihnen heissen Schinken und selbstgemachten Kartoffelsalat. Das neue Pyjama für Papi ist aus dem Discounter, den Gutschein für die Weindegustation für Mami gabs am Black Friday für den halben Preis und für Oma und Opa wird gebastelt.

Familie Fichte schaut nicht Netflix, sondern Kabelfernsehen, bucht einmal im Jahr All-Inclusive-Ferien in der Südtürkei, teure Apple-Produkte sind verpönt. Den Typ Fichte trifft man übrigens Anfang Dezember frierend vor der Ikea. Dort herrscht zwar grosses Gedränge, aber die Bäume des Möbelgiganten sind unverschämt günstig. Und Glühwein gibt es auch. Oh du Fröhliche.

Plastiktännchen

Den Glauben ans Christkind haben Sie schon lange verloren. Aber Sie lieben Lametta und auch sonst alles, was glitzert und glänzt. Im Garten ein leuchtendes Rentier, an der Dachrinne ein roter Weihnachtsmann und drinnen eine farbig-blinkende Lichterkette über dem künstlich-grünen Plastiktännchen. «Sieht er nicht hübsch aus?» An Heiligabend wird mit reichlich Prosecco angestossen, dazu gibt es Sushi per Hauslieferdienst.

Weihnachtslieder singen? Bloss nicht. Ihr letztes «Oh du Fröhliche» datiert aus dem Blockflötenunterricht von 1986. Statt vor dem Baum hocken Herr und Frau Plastiktanne für den Rest des Abends vor der Glotze und schauen sich die Helene-Fischer-Show an. Der Sohnemann verbringt den Abend vor der neuen Playstation. Und die pubertierende Tochter scrollt sich durch Christmas-Tanzvideos bei TikTok. Hallelujah.

Kerzenständer

Sie haben es geschafft. Konsumgesellschaft und Umweltzerstörung liegen hinter Ihnen. Weihnachten ist schliesslich ein Fest der Besinnung und der Einkehr. Das unterstreicht Ihr formschöner, anthrazitgrauer Kerzenständer aus einer lokalen Eisenhauer-Manufaktur. Die Kerzen selbst gezogen, beim alljährlichen Wachsziehen im Gemeindezentrum. Auf dem Waldspaziergang vor dem Fest schimpfen Sie leise über all die altmodischen Tannenkäufer und wärmen sich anschliessend mit einem Tee aus selbstgetrockneten Thymianblättern auf.

Geschenke gibt es keine, die Kinder sind erwachsen und ausgezogen. Stattdessen lesen Sie sich und Kater Jeremia eine besinnliche Weihnachtsgeschichte vor, stossen mit einem regionalen Biowein auf das Jesuskind an und lauschen dem klassischen Konzert von Georg Friedrich Händel aus den teuren Bose-Boxen. Das Einzige was Ihren Frieden jetzt noch stört, ist der blinkende Rentierschlitten der Nachbarn mit dem unsäglichen Plastiktännchen. «Dieser Banause!» Da hilft nur noch ein gepflegtes Stille Nacht, heilige Nacht.

Miet-Christbaum

Sie Trendsetter! Ihr Baum kommt aus der Gärtnerei geliefert und soll nach den Festtagen dort weiterwachsen und gedeihen können. Dieses gute Gewissen ist Ihnen auch den doppelten Preis wert. Sie wollen zwar einen echten Christbaum im Wohnzimmer, aber ein gerodetes Stück Wald können Sie nicht verantworten. Wenn doch nur alle so vernünftig handeln würden wie Sie. Das naturechte Mietobjekt muss darum wirkungsvoll bei Facebook gepostet und beim Bier im Turnverein mit ernster Miene erwähnt werden. «Das isch ebe nachhaltig!» Der Typ Miet-Christbaum trägt Bart (er) oder Tattoo (sie), überreicht Geschenke unverpackt, serviert veganes Fondue Chinoise und fährt anschliessend brav mit dem E-Bike zur Mitternachtsmesse. Oh du grüner Tannenbaum, wie lebst du auch im nächsten Jahr noch.