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Welche Farbe haben seine Augen? Welche die Haare? Aus dem Erbgut am Tatort können Genetiker heute mehr über das Äussere eines Täters herausfinden, als das Gesetz erlaubt. Dieses wiederum könnte bald geändert werden.
Man hätte den Täter von Rupperswil unter Umständen früher identifizieren können. Nicht mit zusätzlichen Ermittlern, sondern mit genetischem Wissen. Die Staatsanwaltschaft hat nämlich schon früh bekannt gegeben, dass am Tatort DNA des Täters sichergestellt werden konnte. Haben Ermittler eine solche Spur, liessen sich daraus theoretisch alle unsere vererbten Eigenschaften herauslesen. Unsere DNA enthält Grundlagen, wie gross oder klein wir sind, welche Form unsere Lippen, Augenbrauen und Wangenknochen haben und ob wir Sommersprossen haben oder nicht.
Zwar stehen die Biologen bei der Erforschung des menschlichen Bauplans noch am Anfang. Aber bereits heute können sie mithilfe unserer DNA Aussagen über unser Aussehen machen: «Wir haben heute die technischen Möglichkeiten, um die Augen- oder Haarfarbe aus der DNA herauszulesen», sagt Nadja Morf, Biologin in der Abteilung Forensische Genetik am Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich. Auch ob ein Mensch weiblich oder männlich ist, glatte oder gekrauste Haare hat, aus dem asiatischen, europäischen oder afrikanischen Raum stammt, können sie herausfinden.
Komplizierter wird es bei Körpergrösse oder Gesichtsform. «Die Schwierigkeit besteht immer darin, dass es nie einfach nur ein Gen gibt, das für ein äusseres Merkmal zuständig ist», sagt Ernst Hafen, Molekularbiologe an der ETH Zürich. Die Informationen – auch diejenigen für Haar- und Augenfarbe – sind an unterschiedlichen Stellen in unserer DNA gespeichert: «Sie können zum Beispiel anhand meiner DNA heute noch nicht herausfinden, dass ich eine lange Nase habe, weil wir noch nicht so weit sind, dass wir wissen, welche Bausteine in der DNA für die Form der Nase verantwortlich sind.»
Doch der Molekularbiologe ist überzeugt, dass Biologen in fünf bis zehn Jahren in der Lage sein werden, mithilfe einer DNA-Analyse ein Phantombild herzustellen. «Natürlich wird uns auch dieses nie das exakte Aussehen eines Täters liefern, sondern nur eine Wahrscheinlichkeit», sagt Ernst Hafen. «Aber wir könnten zum Beispiel sagen, dass ein Täter mit grosser Wahrscheinlichkeit helle Haut, helle Haare und hohe Wangenknochen hat.»
Auch Nadja Morf glaubt, dass es in Zukunft möglich sein wird, Phantombilder von Tätern aufgrund ihrer DNA herzustellen: «Eine Herausforderung wird es sein, wie wir mit den aus der DNA gewonnenen Erkenntnissen umgehen», sagt sie. Denn die Information aus der DNA, dass jemand helle Haare hat, sagt noch nichts darüber aus, wie jemand seine Haare trägt.
Das Schweizer DNA-Profil-Gesetz ist streng: Bei der DNA-Analyse darf weder nach dem Gesundheitszustand noch nach anderen persönlichen Eigenschaften mit Ausnahme des Geschlechtes geforscht werden. Obwohl die Biologen im Stand wären, weitere wichtige Hinweise aus dem Erbgut herauszulesen, dürfen sie es nicht. FDP-Nationalrat Albert Vitali will das ändern. Nach dem Vergewaltigungsfall von Emmen LU hat er eine entsprechende Motion eingereicht. Er verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden in Zukunft die DNA von Tätern von schwerwiegend gewalttätigen Straftaten vertiefter analysieren dürfen. Der Nationalrat hat die Motion bereits angenommen. Der Ständerat wird sie noch behandeln.
Die DNA verrät aber nicht nur etwas über das Aussehen eines Täters. Biologen können aus dem Erbgut auch andere Informationen herauslesen, die im Zusammenhang mit Straftaten spannend sein dürften: «Wir können beispielsweise herausfinden, ob Opfer und Täter miteinander verwandt waren und in welchem Grad», sagt Ernst Hafen. «Damit könnte der Täterkreis extrem eingeschränkt werden.»
Noch ermöglicht es das Gesetz in der Schweiz nicht, solche Informationen über mutmassliche Täter aus der DNA zu ziehen (vgl. Box). Ernst Hafen würde eine Lockerung des Gesetzes «absolut unterstützen». Auch wenn er Gefahren sieht: «Für Täter wird es immer einfacher, am Tatort falsche DNA-Spuren zu legen.» Die Polizei dürfe sich deshalb bei der Suche nach Tätern nie nur auf die Informationen aus der DNA verlassen.
Auch Nadja Morf findet eine Lockerung des Gesetzes «in ausgewählten Fällen sinnvoll». Sie ist aber überzeugt, dass eine so ausführliche Analyse der DNA nicht die normale DNA-Analyse ersetzen wird, die für einen Abgleich mit der Datenbank nötig ist. In die Datenbank namens Codis können DNA-Profile von Tätern und Verdächtigen sowie Tatortspuren aufgenommen werden. Die gefundene DNA an einem Tatort wird mit den DNA-Profilen in der Datenbank abgeglichen. «Das wird immer der erste Schritt bleiben», sagt Nadja Morf. «Liefert der Abgleich einen Treffer, erübrigen sich alle weiteren Tests.»
Gibt es aber – wie im Fall Rupperswil – keinen Treffer, könnten in Zukunft die Resultate einer vertiefteren Analyse der DNA die Polizei bei der Suche nach dem Täter weiterbringen.