Unlogisch
Warmes Wasser gefriert teilweise schneller als kaltes

Wenn man bei Minustemperaturen heisses Wasser aus dem Fenster leert, kommt es als Eisschnee am Boden an. Forscher haben bisher keine Erklärung dafür.

Simon Maurer
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Das Phänomen an einem sonnigen Tag: Aus heissem Wasser wird Schnee.

Das Phänomen an einem sonnigen Tag: Aus heissem Wasser wird Schnee.

In den kommenden Nächten werden wieder Minustemperaturen erwartet. Man könnte Speiseeis herstellen – so wie 1963 Erasto Mpemba. Er war ein Schüler aus Tansania, der für ein Schulprojekt Glacé machen wollte. Mpemba entdeckte damals ein Phänomen wieder, das längst vergessen war: Unter gewissen Umständen gefriert heisses Wasser schneller als kaltes. Schon Aristoteles beschrieb diesen Effekt, die moderne Physik wurde aber erst durch Mpemba auf ihn aufmerksam und er wird seither Mpemba-Effekt genannt. Heute finden sich im Internet zahlreiche Videos, welche das Kuriosum zeigen. Heisses Wasser, das in die Luft geworfen wird, verwandelt sich in Sekundenbruchteilen zu einer Schneewolke.

Auch einige Studien bestätigen den sogenannten Mpemba-Effekt. Füllt man in zwei gleichartige Wasserbehälter einmal kaltes und einmal aufgeheiztes Wasser und setzt diese Temperaturen unter dem Gefrierpunkt aus, dann gefriert das anfänglich wärmere Wasser schneller. Der Effekt wird durch zahlreiche Parameter (Grösse der Wasseroberfläche, Art des Gefässes, Anfangstemperaturen etc.) beeinflusst und lässt sich deshalb nicht immer nachweisen.

Es gibt mehrere Erklärungsansätze — bisher konnte keiner die Fachwelt überzeugen. Logisch erscheint zum Beispiel die Dampftheorie: Die Wassermengen sind am Anfang zwar gleich, ein Teil des wärmeren Wassers verdampft aber während des Abkühlens. Somit ist die Wassermenge im Behälter des wärmeren Wassers kleiner und wird schneller zu Eis. Allerdings: Der Mpemba-Effekt wurde auch schon in geschlossenen Gefässen nachgewiesen, in denen der Wasserdampf nicht entweichen konnte. Diese Erklärung überzeugt daher nicht oder gilt zumindest nicht als Hauptgrund für das Phänomen.

Andere argumentieren mit der unterschiedlichen Gasmenge im Wasser. In warmem Wasser hat es weniger Gas als in kaltem. Dadurch könnte der Gefrierpunkt verschoben sein. Die gasbedingten Unterschiede in der Wasserzusammensetzung könnten auch zu verstärkten Konvektionsströmen (durch Temperatur- oder Dichteunterschiede ausgelöste Strömungen im Wasser) führen, welche das warme Wasser schneller abkühlen lassen. Experimente mit hinzugefügtem Gas brachten aber keine Verstärkung des Mpemba-Effekts zutage, und so ist auch die Gasthese nicht des Rätsels Lösung.

Letztes Jahr haben chinesische und amerikanische Forscher eine Erklärung auf Molekülebene vorgeschlagen. Sie fanden heraus, dass in erhitztem Wasser sehr viele starke und eher wenige schwache Wasserstoffbrücken auftreten. Mit starken Wasserstoffbrücken verbundene Moleküle ordnen sich zu einer Kristallstruktur an, die Moleküle sind für die Eisbildung bereits vorteilhaft positioniert. In kaltem Wasser dagegen sind die Teilchen noch nicht so stark strukturiert. Sie brauchen Zeit, um sich in Eiskristallstruktur anzuordnen. Ob sich die Hypothese der Forscher bestätigt, wird sich in der Zukunft zeigen, denn bisher wurde sie noch nicht unabhängig überprüft. Bis dahin bleibt der Mpemba-Effekt jedoch die richtige Frage, um Physiklehrer zu ärgern.