Neue Studie sagt: In 20 Jahren werden 47 Prozent der Jobs in den USA der Automatisierung zum Opfer fallen werden. Das muss nicht schlecht sein. Wenn es gut kommt, machen Maschinen die Drecksarbeit und wir haben neue, spannendere Jobs
In einer Migros-Filiale starren Kassiererinnen unbeschäftigt auf das leere Kassenförderband vor ihnen, während wenige Meter daneben Kunden ihre Produkte selber scannen. Auch bei McDonald’s könnte das bald so aussehen. Der europäische Zweig des Fastfood-Riesen hat kürzlich 7000 Touchscreen-Computer bestellt, die künftig die Arbeit des Kassenpersonal übernehmen sollen.
Doch auch der Job ihrer Mitarbeiter, die im Hintergrund die Burger braten, ist nicht mehr sicher. Die Firma Momentum Machines aus San Francisco hat einen Roboter entwickelt, der selbstständig Hamburger zubereiten kann. 360 schafft er in der Stunde, innerhalb von 12 Monaten soll er bereits amortisiert sein. Nächstes Jahr soll das erste Fastfood-Restaurant eröffnen, in dem vorwiegend Roboter arbeiten.
Die nächste Automatisierungswelle rollt an – und sie wird eine fatale Wirkung haben. «47 Prozent aller Jobs n den USA werden sehr wahrscheinlich innerhalb der nächsten zwei Dekaden der Automatisierung zum Opfer fallen.» Zu diesem Schluss kommt eine kürzlich veröffentlichte Studie der Oxford Martin School.
Wettlauf mit den Maschinen
Einen schweren Stand werden Logistikarbeiter haben; sie werden sich gegen eine neue Generation von Robotern behaupten müssen, die dank neuen Sensortechnologien flexibel eingesetzt werden können. Kaum besser steht es um die Arbeitskräfte in der Transportbranche; sie werden mit autonomen Fahrzeugen konfrontiert werden, die ihre Fracht sicherer über den Asphalt lenken werden als Menschen.
Aber auch Sachbearbeiter und Büroangestellte werden sich damit abfinden müssen, dass die Arbeit, die sie täglich verrichten, künftig durch Computeralgorithmen wie von alleine erledigt wird. Selbst das Gesundheitswesen und den Bildungsbereich wird die neue Automatisierung, so die Studie aus Oxford, langfristig nicht unverschont lassen.
Für die Studie berücksichtigten die Wissenschafter verschiedene Jobprofile für 903 Berufe und untersuchten mithilfe einer Computersimulation, wie wahrscheinlich es ist, dass die geforderten Fähigkeiten von Maschinen erlangt werden können. Grundsätzlich gilt: Tätigkeiten, die Feintuning mit den Händen, Empathie und Originalität oder Überzeugungskraft und Verhandlungsgeschick erfordern, lassen sich am wenigsten gut automatisieren.
Henrik Schärfe, Robotik-Spezialist an der Universität Aalborg in Dänemark, äussert sich kritisch zur Studie. «Ich werde immer etwas skeptisch, wenn jemand glaubt, die Zukunft so präzise voraussagen zu können.» Doch auch für ihn steht ausser Zweifel, dass die Roboter, die derzeit in Forschungslabors entwickelt werden, die Arbeitswelt der Zukunft stark verändern werden.
Noch weiter gehen die Technikpublizisten Frank Rieger und Constanze Kurz: «Arbeitsfrei. Eine Reise zu den Maschinen, die uns ersetzen werden», heisst ihr soeben erschienenes Buch. «Je weniger spezielle Talente und Fähigkeiten ein Arbeitsplatz erfordert, je besser sich Resultate messen, analysieren und quantifizieren lassen, desto direkter und unmittelbarer ist der Wettlauf mit den Maschinen», schreiben die Autoren.
Menschen sind nur noch Kontrolleure
Der Wandel wird nicht von heute auf morgen stattfinden, er wird vielmehr in drei verschiedenen Phasen ablaufen. Die erste Phase hat in vielen Arbeitsfeldern bereits begonnen: In immer mehr Bereichen unterstützen Maschinen und Algorithmen die Menschen bei ihrer Tätigkeit. Sodann wird sich der Mensch auf die Position des Kontrolleurs zurückziehen, der die Arbeit der Maschinen überwacht und nur noch bei Unvorhersehbarkeiten und Fehlern eingreift.
Diese zweite Phase wird vermutlich ziemlich lange andauern. «Bei den meisten Systemen gilt, dass 95 Prozent der Automatisierung relativ leicht zu erreichen sind, die letzten 5 Prozent aber eine Knacknuss darstellen», sagt Rolf Pfeifer, Professor für künstliche Intelligenz an der Universität Zürich. Doch irgendwann werden die Maschinen so gut, dass sie ganz selbstständig arbeiten können. Das ist die dritte Phase der Automatisierung: Maschinen übernehmen die derzeitigen Jobs der Menschen.
Die neue Welle der Automatisierung kündigt sich in unterschiedlichen Bereichen an. Drei Technik-Trends sind auszumachen, die sich derzeit rasend schnell entwickeln und welche
die Gesellschaft grundlegend verändern werden.
Erstens: Autonom fahrende Autos.
Dutzende von selbstfahrenden Autos sind jetzt schon unterwegs – auf Teststrecken, aber auch auf regulären Strassen in Kalifornien, wo Google seine autonomen Gefährte testet. Sie orientieren sich im Verkehr mit Laserscanner und Kameras, welche andere Fahrzeuge und Verkehrssignale präzise erfassen. Vor wenigen Jahren glaubten noch viele Forscher, dass selbst fahrende Autos nie Wirklichkeit werden würden.
Heute zweifeln nur noch wenige daran, dass computergesteuerte Fahrzeuge in Zukunft den Verkehr sicherer machen werden. «Es ist absehbar, dass die Rolle des Menschen als Risikofaktor im Strassenverkehr weiter und weiter reduziert wird. Dass in Zukunft niemand mehr hinter dem Lenkrad eines Lastwagen sitzt, ist dabei durchaus vorstellbar», schreiben Rieger und Kurz.
Zweitens: Intelligente Industrieroboter.
Heutige Industrieroboter sind teuer und lassen sich nur umständlich programmieren. Das wird sich ändern mit einer neuen Generation von menschenähnlichen Robotern. Eine der ersten dieser neuartigen Maschinen heisst Baxtor, entwickelt wurde sie von Randy Brooks, einem ehemaligen Robotik-Professor.
Baxtor muss nicht für jeden Arbeitsgang neu programmiert werden. Stattdessen leitet man ihn an, so ähnlich wie man das bei einem neuen Angestellten auch tun würde. Man zeigt ihm vor, was zu tun ist, und fortan führt die Maschine diesen Arbeitsgang selbstständig aus. Kameras und Sensoren helfen dem Roboter, sich in seiner Arbeitsumgebung zu orientieren, wo er Ellenbogen an Ellenbogen mit menschlichen Kollegen arbeiten kann. Weitere intelligente Roboter werden Baxtor folgen, die Handwerker zuerst unterstützen und dann wohl in weiten Bereichen ganz ersetzen.
Drittens: Big Data und raffinierte Algorithmen.
Auch heutige Bürojobs werden nicht von der Automatisierung verschont. Die Speicherung und Auswertung von grossen Datenmengen wird immer einfacher. Zudem können Computer immer besser in natürlicher Sprache kommunizieren. Bereits jetzt gibt es Computerprogramme, die aus Statistiken und Datenbanken Informationen schöpfen und daraus Texte generieren. Narrative Science heisst ein Start-up aus Chicago, das sich auf diese Aufgabe spezialisiert hat. Die entsprechende Software schreibt für das US-Magazin «Forbes» selbstständig Sportberichte und Finanzanalysen.
Diese Entwicklung wird nicht nur Journalisten treffen, sondern auch Anwälte und Bankangestellte. «Gerade bei standardisierten Abläufen auf Banken und in der Verwaltung sehe ich noch ein grosses Automatisierungspotenzial», sagt Rolf Pfeifer. Aber auch Übersetzer werden wohl künftig nicht mehr in ihrer derzeitigen Form gebraucht werden.
"Menschen sind besser als Maschinen"
Die grosse Frage, die sich stellt: Wenn Maschinen unsere Arbeit machen, was werden wir dann machen? Werden wir arbeitslos werden? Teilweise schon, meinen Frank Rieger und Constanze Kurz. «Wir sollten unsere Gesellschaft (. . .) gedanklich und planerisch darauf einstellen, dass immer wieder Wellen plötzlicher Arbeitslosigkeit entstehen, weil in den seltensten Fällen arbeitsplatzvernichtende und neue Arbeit schaffende Technologiewellen in der richtigen Reihenfolge und zur richtigen Zeit eintreffen», schreiben die Autoren.
Doch über lange Strecken wird die neue Welle von Automatisierung nicht nur Jobs vernichten, sondern auch neue schaffen. So hat die Computerisierung der Gesellschaft in den letzten drei Jahrzehnten viele bisherige Arbeitstätigkeiten zum Verschwinden gebracht – und Legionen von Webdesignern, Programmierern und Computerspielentwicklern hervorgerufen. Alles Tätigkeiten, die sich vor 100 Jahren noch niemand vorstellen konnte. «Neue Automatisierungsprozesse werden wieder neue Jobs generieren», ist Rolf Pfeifer überzeugt. So würden etwa dank 3-D-Druckern und anderen neuen Fertigungstechnologien Hunderttausende von neuen Jobs entstehen.
Statt mit den Maschinen in einen «Wettlauf» zu treten, sollten wir uns vielleicht einfach umorientieren und nach neuen, spannenderen Jobs Ausschau halten. Seien wir den Robotern doch dankbar, dass sie die Drecksarbeit erledigen. Noch weiter geht Henrik Schärfe. «Wir brauchen unbedingt hoch entwickelte Maschinen, um die anstehenden Probleme unserer Zeit zu lösen», sagt der Professor und fügt an: «Gleichzeitig sollten wir uns immer wieder in Erinnerung rufen, dass wir Menschen sind und damit besser als Maschinen.»