Alissa Walsers erster Roman «Am Anfang war die Nacht Musik» setzt dem Wunderarzt Franz Anton Mesmer ein literarisches Denkmal.
Sein auffälligstes Nachleben führt er im Englischen, im schönen Verb «mesmerize», das sogar einem Rockfestival zum Titel verholfen hat: dem «Mesmerize-Festival» Meersburg. Dort war jener Mann 1815 gestorben, dessen Name dem Begriff Pate stand: Franz Anton Mesmer, 1734 in Iznang am Bodensee geboren, Arzt, Erforscher des Planeten-Einflusses, Begründer der Lehre vom «animalischen Magnetismus», umstritten und bewundert in Wien und in Paris, später wieder am Bodensee heimisch.
Dieser Franz Anton Mesmer hat schon zu Lebzeiten polarisiert – unter anderen den Zeitgenossen Mozart, der sich für den Mesmerismus interessierte und ihn in «Così fan tutte» zugleich verspottet hat. Edgar Allen Poe, Stefan Zweig oder Per Olov Enquist haben Mesmer literarisch gehuldigt – nun widmet ihm Alissa Walser einen magnetisierenden Roman.
Er dreht sich um einen bekannte Fall: 1777 behandelt Mesmer in Wien die als Dreijährige über Nacht erblindete Pianistin Marie Theresia Paradis. Die prominente Patientin, Schützling der Kaiserin höchstselbst, könnte nicht nur medizinisch, sondern auch sozial Mesmers Glücksfall sein.
Alissa Walser geht hautnah an die Figuren und deren Beziehungsmagnetismus heran. Sie schildert Mesmers Methode, die der Kraft der Magnete zu vertrauen scheint, in Wahrheit aber Sigmund Freud vorwegnimmt. Die Stimme ist das erste, worauf Mesmer reagiert und mit der er therapiert.
So wird Maria denn auch geheilt – vorübergehend: Denn zugleich mit der wieder gewonnenen Sehkraft verliert sie die Freiheit im Klavierspiel. Mesmers Ruf ist lädiert, er muss Wien verlassen, später kommt es in Paris noch einmal zu einer kurzen Begegnung mit der nun wieder blinden, als Pianistin brillierenden Patientin.
Das Drama um Krankheit und Musik, eingebettet ins elektrisierte 18. Jahrhundert, inspiriert die 48jährige Autorin zu einer Erzählung, die ihrerseits voller Musik ist – manchmal andante, meist aber presto in atemlos sich jagenden Sätzen und einer überbordenden Bildlichkeit. Doch immer wieder gelingen der Autorin Kabinettstücke – wie etwa die Begegnung Marias mit Mozart.
Sie spielt ihm ihre eigene «Sicilienne» vor, er fragt sie, ob sie die weissen oder die schwarzen Tasten lieber mag – und es ereignet sich eine Art Magnetismus zwischen den beiden. Jenes Phänomen, das Maria einmal als «ein ganzes Meer von Gemeinsamkeiten» umschreibt.