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Leben
Linkshänder sind «emotional» im Gehirn andersrum verdrahtet. Personen mit Angststörungen sollten deshalb nach Händigkeit behandelt werden.
Gängige Theorien des Gehirns gehen davon aus, dass bestimmte Emotionen in verschiedenen Gehirnhemisphären beheimatet sind. Eher appetitive Emotionen wie Glück, Stolz oder Zorn, die uns auf die Welt zugehen lassen, sind in der linken Gehirnhemisphäre, Vermeidungsemotionen wie Angst oder Ekel eher in der rechten. Daniel Casasanto, Assistenzprofessor für Humanentwicklung und Psychologie an der Cornell University in Ithaca, NY, ist aufgefallen, dass die Studien fast ausnahmslos mit Rechtshändern durchgeführt wurden.
Das hat uns ein verzerrtes Bild davon gegeben, wie das Gehirn Emotionen verarbeitet. Bei Linkshändern liegt das Zentrum für Aufmerksamkeit und Entschlossenheit eindeutig in der rechten Gehirnhemisphäre, das fand Professor Casasanto in einer neueren Studie heraus. Und er kam zum Schluss: Wo die Zentren liegen für die Verarbeitung von Emotionen im Gehirn, hängt davon ab, ob die Person Links- oder Rechtshänder oder irgendetwas dazwischen ist.
Wer herausfinden will, welche Gehirnhälfte welche Emotionen steuert, kann den Schwert-und-Schild-Test machen. Die Krieger der alten Zeiten hielten das Schwert in ihrer dominanten Hand und den Schild in der anderen. Logisch, denn das Herumfuchteln mit dem Schwert ist eindeutig eine gerichtete, determinierte Handlung, während das Schildhochhalten eine Bewegung ist, die auf Vermeiden abzielt.
Die Zentren für die determinierten, auf die Welt zugerichteten Emotionen liegen auf der gleichen Seite des Gehirns wie diejenigen für die dominante Hand. Während Abwehr-, Flucht- und Vermeidungsemotionen auf der gleichen Seite liegen wie die Zentren, welche die Bewegungen der «Schild-Hand» steuern.
Dass die Gehirnhälften bei Linkshändern auf eine andere Weise organisiert sind, wusste man. Dass die Emotionssteuerung damit gekoppelt ist, ist aber neu. Deshalb müsse man, so Casasanto, auch aufpassen bei gewissen Therapien, die in der alternativen Medizin angewendet werden. Angststörungen oder milde Formen von Depression werden mit einer leichten elektrischen oder magnetischen Stimulation der linken Gehirnhemisphäre behandelt.
Macht man das bei Linkshändern kann das dem Patienten schaden. Bei Rechtshändern sollte die Stimulation links die Emotionen, die eher lebensfördernd wirken, anregen. Und bei Linkshändern wäre der Effekt, dass Angst und Vermeidungsreaktionen unterstütz würden. «Die Standard-Therapie kann den Zustand von Linkshändern verschlechtern», sagt Casasanto.
Und bei Personen mit wenig ausgeprägter Händigkeit nimmt man an, dass auch die Emotionssteuerung verteilt ist. «50 Prozent einer Population sind ausgeprägte Rechtshänder. Linkshänder sollte man umgekehrt therapieren. Und beim Rest sollte man auf diese Therapie besser ganz verzichten.»