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Emissionen, wie sie auf hoher See verpufft werden, sind an Land hoch verboten. In die Entwicklung der Alternativen wird wenig investiert, aber es gibt sie. Sogar ein Segelfrachter ist am Entstehen.
90 Prozent aller Güter weltweit werden per Schiff transportiert– langsam und auf die Tonne umgerechnet energiearm. Doch die Branche ist eine grosse Dreckschleuder. Die Handelsschiffe, aber auch die Kreuzfahrtschiffe stossen Unmengen von Schwefeldioxid aus. Die Schifffahrt ist für 13 Prozent der gesamten Schwefelemissionen weltweit verantwortlich.
Der Schwefelausstoss kann Lungenkrankheiten, Gefässerkrankungen und Krebs verursachen. Aus Kostengründen verwendet die Seeschifffahrt jedoch immer noch mehrheitlich Schweröl. Es ist ein Abfallprodukt, das bei der Verarbeitung von Erdöl entsteht.
Die International Maritime Organisation der UNO, die IMO, hat 2020 einen wichtigen Schritt unternommen und die Verwendung von Schweröl eingeschränkt: Statt Schweröl (3,5% Schwefelgehalt) soll nun auf hoher See nur noch Marine Diesel Oil (0,5%) und in Landnähe Marine Gas Oil (0,1%) ) verwendet werden.
Doch auch dieser tiefere Standard ist noch immer 100-mal mehr, als was in Europa Landfahrzeugen gestattet ist. Im Übrigen dürfen Länder ihren Schiffen erlauben, diese neuen Vorgaben mittels eines «Scrubbers» zu erreichen: Das Schiff tankt das traditionelle Schweröl und lässt die Abgase durch eine Reinigungskolonne laufen. Bei sogenannten Open Loop Scrubbers, die bereits zu Tausenden in Schiffen eingebaut sind, bindet sich der Schwefel mit Salzwasser, das dem Meer entnommen wird.
Der Haken an der Sache ist, dass die Schadstoffe dafür an das Wasser abgegeben werden, das dem Meer wieder zugeführt wird. Dieses Abwasser birgt neue Umweltrisiken, sodass inzwischen viele Hafenstaaten das Ablassen von «Washwater» verbieten. Dann wird es einfach auf offener See abgelassen.
Auch die Treibhausgase bereiten grosse Sorgen. Die Schifffahrt ist für 3 Prozent aller von Menschen ausgestossenen Treibhausgase verantwortlich. Der CO2-Ausstoss der Schifffahrt hat seit 2012 um 10 Prozent zugenommen, und es ist zu erwarten, dass die Emissionen weiter ansteigen.
2018 hatte die IMO eine Strategie entwickelt, nach der bis 2050 die Treibhausgasemissionen immerhin auf 50 Prozent des Niveaus von 2008 gedrückt werden sollen. Inzwischen ist aber der Streit im Gange, wie das Ziel erreicht wird.
Während die Industrie, angeführt von Japan und Norwegen, unterstützt durch Panama, bis 2030 gar keine Senkung vornehmen wollte, ist nun, auch unter Druck der Nichtregierungsorganisationen, im November 2020 im Klimaausschuss der IMO doch beschlossen worden, dass schon bis 2030 der CO2-Ausstoss gegenüber 2008 um 40 Prozent gesenkt werden soll.
Noch ist allerdings nichts definitiv beschlossen. Offen sind zudem die Überprüfungsmechanismen. Man ist sich einig, dass längerfristig die Ziele nur mit anderen Antriebssystemen zu erreichen sind. Mittelfristig wird auf verflüssigtes Erdgas gesetzt (LNG). Der Nachteil von LNG ist, dass mit den klassischen Schiffsmotoren leicht Methan in die Atmosphäre entweichen kann, und Methan ist als Treibhausgas 30-mal problematischer als CO2.
Längst sucht die Industrie nach Alternativen. Sogenannter grüner Wasserstoff, der mittels erneuerbarer Energie gewonnen wird, wäre eine Option. Er ist allerdings noch teuer und setzt aufwendige Kühlsysteme voraus.
Wie bei den frühen Kohledampfern beansprucht zudem der Antrieb einen grossen Teil des Lagerraumes. Der Vorzug wird Ammonium gegeben, das weniger tiefgekühlt werden muss und weniger Platz braucht. Allerdings ist es giftig für Mensch und Tier. Sowohl Wasserstoff wie auch Ammonium sind feuergefährlich.
Alternativen wie eine Renaissance der Segeltechnik oder Solarenergie kommen wohl nur als Zusatzantrieb in Frage. Die Entwicklung grüner Antriebstechnologien wird nur voranschreiten, wenn wettbewerbsneutrale Regulierungen dazu veranlassen. Der Kostendruck ist hoch, die Verschiffung der Güter selbst von weit her darf kaum etwas kosten. Noch fühlt sich die Branche nicht ans Pariser Umweltabkommen gebunden.
*Mark Pieth ist emeritierter Strafrechtsprofessor der Universität Basel. Kathrin Betz arbeitet als Rechtsanwältin bei einer Anwaltskanzlei in Zürich. Sie ist spezialisiert auf Strafrecht, Wirtschaftsstrafrecht und Strafprozessrecht