Teenager und schon Mami

Schwanger mit 14. Ihre vierjährige Tochter Nataly ist Maria Gomez' ein und alles. Trotzdem findet die 19jährige St. Gallerin nicht, es sei einfach, mitten in der Pubertät ein Kind grosszuziehen. Ähnlich sehen das ihre Eltern, die der Tochter nach Kräften helfen, ihren Weg als Teeniemutter zu finden. Odilia Hiller

Drucken
Der vierjährigen Nataly ist es gleich, wie alt oder jung ihre Mutter ist. Viel lieber spielt sie mit allem, was vierjährige Mädchen lieben – besonders mit dem Mami.

Der vierjährigen Nataly ist es gleich, wie alt oder jung ihre Mutter ist. Viel lieber spielt sie mit allem, was vierjährige Mädchen lieben – besonders mit dem Mami.

Als sie merkte, dass sie schwanger war, war Maria Gomez 14 Jahre alt. Wobei es eigentlich ihre Mutter war, die als erste darauf kam. «Meine Tochter erzählte mir, sie sei in der Nacht an den Kühlschrank gegangen, um ihre Übelkeit zu bekämpfen. Da war mir schlagartig alles klar», sagt die 38jährige Francisca Diethelm. Sofort sei sie losgelaufen und habe beim Grossverteiler einen Schwangerschaftstest gekauft. Beim Grossverteiler, das sei ihr vorher noch nie passiert, sagt die fünffache Mutter: Sonst habe sie noch jeden Schwangerschaftstest in der Apotheke gekauft – «die teuren». Aber damals habe es einfach schnell gehen müssen. «Ich habe Maria den Test in die Hand gedrückt. Und dann kam sie sehr, sehr lange nicht mehr aus ihrem Zimmer heraus», sagt sie, die sieben Monate später mit 34 Jahren eine der jüngsten Grossmütter der Schweiz wurde. «Das Ergebnis muss so etwas von eindeutig gewesen sein.»

Entscheidung selbst gefällt

Der Schock über die frühe Schwangerschaft war nicht nur für Maria Gomez selbst riesig, sondern auch für die ganze siebenköpfige Familie. Das erste, was die Mutter zu ihrer Ältesten sagte, als sie dann doch wieder aus ihrem Zimmer kam, war dennoch: «Wir sind für Dich da.» Maria Gomez war in der elften Woche ihrer Schwangerschaft, als sie den Test machte. Ihr erster Gedanke sei gewesen: «Es muss weg.» Erst als sie beim Gynäkologen auf dem Ultraschall sah, wie dort ein kleines Herz schlug, habe sie geweint und gewusst: Sie würde das Baby behalten. Diese Entscheidung habe sie ganz alleine gefällt – im Wissen allerdings, dass ihre Eltern ihr helfen würden. Ihr damaliger Freund, mit dem sie zum Zeitpunkt ihrer Schwangerschaft seit zehn Monaten zusammen war, sagte nicht viel dazu. Seinen Eltern wäre es wohl lieber gewesen, sie hätte abgetrieben, sagt Maria Gomez. Auf die Frage, wie es überhaupt so weit kam, zuckt die heute 19jährige mit den Schultern: «Wir haben einfach zu wenig aufgepasst.» Nach der Geburt der kleinen Nataly im Juni 2004 waren sie und ihr Freund noch weitere acht Monate zusammen – für Teenager eine halbe Ewigkeit. Heute verbringt der junge Vater jeden zweiten Sonntag mit Nataly.

«Ich weiss manchmal selbst nicht, wie ich das alles schaffe. Es ist überhaupt nicht leicht. Es gibt immer wieder so Phasen. Dann wird mir alles zu viel», sagt Maria Gomez über ihre manchmal unübersichtliche Situation zwischen Muttergefühlen, Ausbildung, Erziehungspflichten, Ausgang und Grossfamilie. «Doch für Nataly würde ich einfach alles tun. Ich möchte auf keinen Fall, dass sie darunter leidet, eine so junge Mutter zu haben», sagt sie.

«Dazwischen sind Welten»

Das kleine, aufgeweckte Mädchen ist heute viereinhalb Jahre alt und besucht Kindergarten und Hort, während Maria Gomez eine Coiffeurlehre absolviert. «Maria ist im Fall Klassenbeste», sagt der baumlange 18jährige, der sich mittlerweile dazugesellt hat – seit bald zwei Jahren ist er Maria Gomez' Freund. Diese wiegelt ab: «Es gibt noch andere, die gute Noten haben. Aber ich will einfach alles tun, damit ich finanziell unabhängig werde und Nataly eine gute Zukunft bieten kann.»

«Da liegen Welten dazwischen»

Wer die 19jährige reden hört, mag staunen ob so viel Reife. Doch bis dahin war es ein weiter Weg, wie auch ihre Eltern bestätigen. «Maria heute und vor vier Jahren – da liegen Welten dazwischen», sagt ihr Vater. Zahllose Konflikte über Ausgehen oder Daheimbleiben, Geniessen und Verantwortung liegen hinter ihnen.

«Es war auch für mich oft schwierig, zu entscheiden, was gut für sie ist», sagt Francesca Diethelm. «Einerseits wollte ich, dass sie ihre Pubertät auch ausleben kann und ihr junges Leben nicht ganz verpasst. Andererseits musste ich ihr doch klarmachen, welche Pflichten zum Muttersein gehören.» Die Geschichte der 13jährigen Ramona aus dem Solothurnischen, die in diesen Tagen in nationalen und internationalen Medien herumgereicht wird, löst bei der Familie gemischte Gefühle aus. Francisca Diethelm stört sich daran, wie vereinfacht und harmlos die Geschichte in der «Schweizer Illustrierten» dargestellt wird: «Ich habe das Gefühl, Ramona und vor allem ihre Mutter kommen noch ziemlich auf die Welt, was ein Baby in dem Alter bedeutet», sagt sie. Maria Gomez blättert ungläubig in der Zeitschrift und staunt: «Was, sie hat nicht gemerkt, dass sie schwanger ist! Hey, was läuft mit der Frau. Dachte sie denn, sie hat Blähungen?»

«…dass ich recht jung war»

Im übrigen aber werde sie sich hüten, über Ramona zu urteilen, sagt Maria Gomez. «Ich wünsche ihr alles Gute und hoffe, ihr bleiben ein paar Dinge erspart, die ich erleben musste. Im nachhinein finde ich schon, dass ich noch recht jung war.»

Robert Schönenberger (Bild: Hanspeter Schiess)

Robert Schönenberger (Bild: Hanspeter Schiess)