In der Onlinewelt werden Nutzer ständig mit Werbung konfrontiert. Werbesprache wechselt sich so mit der Sprache der ernsthaften Berichterstattung ab, was zu geschmacklosen Situationen führen kann.
Mit der Sprache verhält es sich zuweilen wie mit der Raumtemperatur. Wir gewöhnen uns relativ schnell daran. Verlassen wir dann den Raum oder die Sprache, an die wir uns gewöhnt hatten, kann uns das unter Umständen massiv irritieren. Zur Illustration dieses Problems nehmen wir zum Beispiel die Sprache der Katastrophenberichterstattung nach dem Erdbeben in der Türkei und Syrien. Das war erwartungsgemäss eine sehr ernste Sprache, eine Sprache die uns aufgerüttelt und betroffen gemacht hat. In der Sprache der Katastrophenberichterstattung gab es keinen Platz für saloppe Sprüche oder flotte Scherze.
Als Konsumentinnen und Konsumenten einer Katastrophenberichterstattung öffnen sich alle, die seelisch noch nicht komplett abgestumpft sind, dem Elend, von dem berichtet wird. Die Not anderer Menschen macht einen betroffen und nachdenklich. Diejenigen, die vom Elend verschont worden sind, erhalten Gelegenheit, Empathie und Hilfsbereitschaft für die Opfer zu entwickeln. Weil allerdings heutzutage in den Onlineausgaben der Tageszeitungen fast jedem kurzen Filmbericht ein Werbeclip vorausgeht und ein weiterer angehängt wird, müssen wir uns daran gewöhnen, dass die Sprache der Werbung übergangslos auf die Sprache der Katastrophenberichterstattung trifft. Das ist vom Empfinden her jeweils vergleichbar mit dem nahtlosen Übergang eines gut geheizten Raumes in die Eiseskälte einer frostigen Nacht.
So schaute ich vor ein paar Wochen einen kurzen Beitrag über die letzten Versuche der Rettungsteams, aus den Erdbebentrümmern noch lebende Opfer zu bergen. Eine Stimme erklärte, dass die Wahrscheinlichkeit, unter den Trümmern noch Überlebende zu bergen, mit jeder Stunde abnehme. Dennoch würden die Rettungstrupps selbstverständlich alles geben, solange noch eine letzte kleine Hoffnung bestehe, Leben zu retten. Bebildert war der Bericht mit Aufnahmen von Rettern, die eine schwer verletzte Frau auf einer Bahre fixierten.
Dann folgte beinahe übergangslos ein Werbeclip mit dem Slogan: «Mehr Schwung, mehr Spass, mehr Power!» Die jungen Menschen, die den Clip illustrierten, strahlten dem Werbespruch entsprechend pure Lebensfreude aus. Selbstverständlich ist gegen Werbung für ein Produkt, das mehr Schwung, mehr Spass und mehr Power verspricht, grundsätzlich nichts einzuwenden. Was einen als Konsumenten jedoch ein bisschen aus der Fassung bringt, ist der Gegensatz zum Inhalt des vorangegangenen Beitrags. Sehe ich mir in der Onlineausgabe einer Tageszeitung die Kurzzusammenfassung eines Fussballspiels an, bei dem zuvor oder danach Werbeclips für Kartoffelchips und gekühlte Getränke abgespielt werden, dann kann ich als Zuschauer unschwer einen Zusammenhang zwischen den beworbenen Produkten und dem Beitrag erkennen.
Aber Schwung, Spass und Power als Umrahmung eines Beitrags über Elend, Tod und Verzweiflung, das bringt wohl selbst die gedankenlosesten Konsumenten zum Grübeln.