Unser Kolumnist Pedro Lenz stellt diese Woche die schönsten Floskeln aus Fussballerinterviews der gerade zu Ende gegangenen WM vor.
Die Fussballweltmeisterschaft ist noch keine Woche vorbei, und schon vermisst man als Sprachliebhaber die eine oder andere lieb gewordene Floskel. Mir persönlich gefiel an dieser WM besonders der allgegenwärtige und stets überzeugt hervorgebrachte Satzabschluss «quoi», der bei französischsprachigen Interviews in jedem Fall zu passen scheint. «C’est un bon resultat, quoi. Mais ce n’était pas facile, quoi. Il faut toujours gagner, quoi. Et à la fin on n’a pas mal joué, quoi.»
Bei den vielen spanischsprachigen Spielern am Turnier stand heuer der Satzanfang «La verdad es que …» hoch im Kurs. Wörtlich übersetzt heisst das auf Deutsch: «Die Wahrheit ist, dass …». Inhaltlich übersetzt müsste es allerdings eher heissen: «Lass mich doch bitte mal ein paar Worthülsen lang überlegen, wie ich deine Frage beantworten will, bevor ich etwas einigermassen Gescheites sage.»
Mein persönlicher Liebling unter den Floskeln bei Spielerinterviews war an diesem WM-Turnier freilich der deutsche Satzanfang «Am Ende des Tages …». Man kann diesen Satzanfang mehr oder weniger hinsetzen, wo man möchte. Er passt immer. «Am Ende des Tages …» ist eine gegenwärtig hoch im Trend liegende sprachliche Ausweitung von Adverbien wie «letztlich» oder «schliesslich» oder von Partikeln wie «eigentlich» oder «streng genommen».
Das Schöne daran ist der Umstand, dass «am Ende des Tages» fast alles meinen kann, nur meistens nicht das Ende eines bestimmten Tages. Mehr noch, der Tag und sein Ende kommen in der Floskel zwar vor, aber es geht fast immer um etwas ganz anderes. Es geht um den wortreichen Versuch, selbst dem hohlsten Satz eine gewisse Allgemeingültigkeit oder eine vermeintliche Würde zu verleihen.
Deswegen passt die Floskel «Am Ende des Tages …» ganz besonders gut zu Interviews nach einem Fussballspiel. Unmittelbar nach einem Spiel leiden bekanntlich viele Fussballer unter verminderter Sauerstoffversorgung. Wenn ihnen dann im Post-Match-Interview nur noch lauter Nullsätze wie: «Was zählt, ist das Resultat», «Der Sieg ist nicht unverdient» oder «Wir müssen nach vorne schauen» einfallen, können sie den Nullwert solcher Aussagen mit dem Vorangestellten «Am Ende des Tages ...» ein bisschen veredeln.
Es ist nämlich nicht das Gleiche, ob ich eine Plattitüde gleichsam nackt rauslasse oder ob ich sie mit einem feinen Voraussätzchen wie «Am Ende des Tages …» ein bisschen aufpeppe. Wer das nicht glaubt, kann die vier Wörter in seine Alltagssprache aufnehmen und selber feststellen, wie gehoben, ja fast schon elitär selbst seine banalste Rede plötzlich klingt. Das trifft sogar bei Beleidigungen zu. Es ist nicht dasselbe, ob ich einem Trottel einfach sage, er sei für mich ein Trottel, oder ob ich vorausschicke, am Ende des Tages sei er für mich ein Trottel.
Oder, um es so einfach wie möglich zu sagen: Am Ende des Tages wirkt fast jeder Satz ein bisschen gescheiter, wenn wir ihn mit der Floskel «Am Ende des Tages …» beginnen.