Bubbles, Bullets, Blööterli ... über die Festtage gebe ich mir gerne die Kügelchen, die es im Gaumen prickeln lassen wie früher dieses süss-saure Tiki-Sodapulver. Es muss nicht immer Champagner oder Prosecco sein, wenn Schaumwein ins Spiel kommt. Denkt auch an Cava, Crémant und Sekt. Und an Pet Nat! Ein deutscher Vertreter dieser Spezies hat mich 2018 besonders begeistert: Die Produzenten Niepoort & Kettern keltern an der Mosel unter dem Label «Fio Wines» den Riesling «Piu Piu». Das klingt wie das Geräusch der Käpseli-Pistole aus meiner Tiki-Zeit. Mit so viel Pfupf wie die Käpseli knallen die Bläschen des weissen Schäumers aber nicht rein. Dafür hat er, typisch Riesling, eine pfeilscharfe Säure und einen ganz, ganz gefährlichen Trinkfluss.
Vor allem im Gaumen ist einiges los: Die Frucht – etwa Pfirsich, Aprikose und Birne – ist reifer und intensiver, als man das von Schaumweinen erwartet. Ebenso das volle Mundgefühl. Wie das? Der «Piu Piu» ist ein Pet Nat, ein Pétillant Naturel – zu Deutsch: natürlich prickelnd.
Die Produktion ist simpel: Der werdende Wein wird während der Gärung abgefüllt, noch bevor der Zucker im Most komplett vergoren wurde. In der verschlossenen Flasche machen die Hefen weiter ihre Arbeit – und den restlichen Zucker zu Alkohol. Die freigesetzten Bläschen bleiben als Bubbles in der Buddel. Es ist die direkteste Art, Wein zum Schäumen zu bringen. Bei Champagner und Prosecco entstehen die Bläschen, indem einem fertigen Grundwein ein Zucker-Hefe-Gemisch zugesetzt wird, was zu einer zweiten Gärung führt.
Zurück zum «Piu Piu» und der Suche nach dessen Fülle. Diese kommt nicht nur von der monatelangen Lagerung auf der Feinhefe (dem Abfallprodukt der Gärung), die auch Champagnern und Cavas eine cremige Struktur und Brioche-Aromen verleiht. Die Kraft im Gaumen beruht, so die Vermutung, auch auf dem langen Kontakt mit den Traubenhäuten. Diese zusätzliche Extraktion gibt dem Wein Struktur und eine auffällig satte Farbe. Weissweine, die mit den Traubenhäuten vergoren wurden, sind in den letzten Jahren als Orange Wine bekannt und beliebt geworden. Im Fall des «Piu Piu» ist zwar nirgends explizit von einer solchen Maischegärung die Rede – die dunkelgelbe Farbe liefert aber beste Indizien für eine Beweisführung.
Ein Pet Nat kann dirty daherkommen, getrübt und mit Depot. Das ist weder ein Problem noch ein Fehler (auch wenn man das bei der versehentlichen «Erfindung» dieser Schaumwein-Spielart zunächst gedacht hat). Anders als bei anderen Schäumern, wird nach dem Abfüllen nämlich oft nicht mehr am Wein rumgefummelt. Die Rückstände der Hefe sowie die Bläschen bleiben drin. Sie schützen und stabilisieren den Wein und machen den Zusatz von Schwefel (Sulfiten) überflüssig. Mit ihrer archaischen Machart entsprechen Pet Nat der Philosophie vieler Naturwein-Winzer. Diese lassen ihre Crus mit so wenigen Interventionen wie möglich entstehen, oft ohne jegliche Zusätze.
Bock auf Pet Nat? Dann ab auf die Jagd! Diese wilden Weine sind (noch) eher selten anzutreffen, sie geben sich aber durch ein einfaches Merkmal zu erkennen – den Kronkorken.