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Der Bunker ruft Das Schweizer Fernsehen hat es sich in den letzten Jahren zum löblichen Ziel gesetzt, Geschichte erfahrbar zu machen. Wir haben in sogenannten Doku-Soaps zugeschaut, wie das Leben zu Gotthelfs Zeiten war, und sind sogar bis zu den Pfahlbauern katapultiert worden.

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Der Bunker ruft

Das Schweizer Fernsehen hat es sich in den letzten Jahren zum löblichen Ziel gesetzt, Geschichte erfahrbar zu machen. Wir haben in sogenannten Doku-Soaps zugeschaut, wie das Leben zu Gotthelfs Zeiten war, und sind sogar bis zu den Pfahlbauern katapultiert worden. Das neueste Abenteuer, für das ab sofort Kandidaten gesucht werden, führt in eine ebenso ferne Zeit. Zwar ist sie uns zeitlich sehr viel näher als die Pfahlbauer von Pfyn: Das Réduit, der Rückzug in eine Alpenfestung angesichts der nationalsozialistischen Bedrohung, liegt gerade mal siebzig Jahre zurück. Die älteren unserer Leserinnen und Leser haben diese schwierige Zeit noch erlebt und wohl auch einiges weitererzählt.

Zwischen dem 27. Juli und 14. August nun ist zu erleben, wie es wirklich war. Die Männer kommen in die Festung, die Frauen aufs Feld. Die Festung Fürigen im Kanton Nidwalden befindet sich noch beinahe im originalen Zustand. Sie hat Geschützstände, einen Funkraum und sogar einen Operationssaal. Schiessen wird man mit den Kanonen wohl nicht, höchstens üben. Aber operieren? Mit Kriegsskalpell? Das waren ja schliesslich blutige Zeiten, wenn auch Gott sei Dank ausserhalb der Landesgrenzen.

Living History nennt das Schweizer Fernsehen das Projekt: lebende Geschichte. Der Unterschied zur wirklichen Geschichte wird allerdings darin bestehen, dass man weiss, wie es ausgegangen ist. Niemand steht mehr mit aufgepflanztem Bajonett an der Schweizer Grenze.

Trotzdem fragt man sich natürlich, warum das Schweizer Fernsehen gerade jetzt das Réduit wiederbelebt. So schlimm ist es mit dieser Personenfreizügigkeit nun auch wieder nicht, dass man sich gleich in einen Bunker verkriechen müsste. Rolf App

r.app@tagblatt.ch