Schluss mit langweiligem Glühwein: Heisses Bier und heisser Most sind die neuen Trendsetter

Viel zu süss und ewiggleich: Wer den Glühwein satthat und nach alternativen Weihnachtsgetränken sucht, dem sei Glühbier oder Glühmost empfohlen. Eine würzige Offenbarung.

Silvia Schaub
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Achtung, heiss und süffig: Das Glühbier der Brauerei Locher in Appenzell.Bild: Severin Bigler (Baden, 20. November 2019)

Achtung, heiss und süffig: Das Glühbier der Brauerei Locher in Appenzell.Bild: Severin Bigler (Baden, 20. November 2019)

Für manche mag es eine Freude sein, wenn die Saison der Weihnachtsmärkte ins Land zieht. Da bummelt man vergnügt durch die festlich dekorierten Stände, einen Weihnachtssong im Ohr und einen würzigsüssen Duft in der Nase. Wer kann da einem wärmenden Glühwein widerstehen? Nun, wohl so einige, die schon an einem dampfenden Glühwein genippt haben, der den Namen nicht verdiente und dessen Genuss noch am nächsten Tag pochend nachwirkte.

Falls Sie zu dieser Fraktion gehören, hier die gute Nachricht: Es gibt Alternativen: Glühbier und Glühmost. Noch sind sie nicht an jeder Ecke zu bekommen, doch hinter diesen Getränken steckt mehr, als bloss ein Bier oder ein Most zum Köcheln zu bringen. Damit ein süsslich-herbes Getränk mit luftiger Schaumkrone im Glas perlt, brauchte es schon etwas Experimentierfreude.

Mirko Dapto hat experimentiert:

«Wir wollten den Ständen mit den meist fixfertigen Glühwein-Mischungen etwas entgegensetzen»

, erklärt er. Also lancierte Tiersteiner Bräu aus Frick vor ein paar Jahren ein hauseigenes Glühbier. Anfangs seien die Kunden ein bisschen skeptisch gewesen, sagt Dapoto. Die meisten waren dann positiv überrascht. Verkauft werden die Glühbiere in schicken kleinen Falschen, welche man direkt in einem Topf auf 60 bis 70 Grad erwärmt (nicht heisser, sonst verflüchtigt sich der Alkohol) und in der Flasche oder einem schönen Glas serviert.

Von einem Glühbier-Trend könne man noch nicht sprechen, meint Christoph Lienert, stellvertretender Direktor beim Schweizer Brauerei-Verband. «Ich glaube vielmehr, dass es um Abwechslung und um ein Alleinstellungsmerkmal geht. Bieten alle Stände am Weihnachtsmarkt Glühwein an, kann man mit einer Alternative wie Glühbier punkten», sagt er.

Heisses Bier soll gegen so manches Zipperlein helfen

Eine neuzeitliche Innovation sind die Glühbiere allerdings nicht. Gleiches gilt übrigens für die Glühweine, die bereits den Römern bekannt waren. Damals vor allem, um die Haltbarkeit des Weins zu verlängern und den sauren Geschmack zu verbessern. Die erste schriftliche Erwähnung des mit Gewürzen veredelten Weins stammt aus dem zwei Jahrtausende alten Kochbuch des Römers Apicius und wurde «Conditum Paradoxum» genannt. Doch auch warmes Bier wird schon seit Jahrhunderten getrunken, wenn auch meist als Medizin, zur Linderung verschiedenster Leiden, wie etwa Erkältungserkrankungen.

Die meisten Rezepte gehen von einem dunklen Bier aus, das nicht zu bitter und trocken sein sollte. Ihren würzigen Duft erhalten sie – wie beim Glühwein – von Nelken, Sternanis oder Zimt. Sie können auch mit Ingwer, Honig, Zitronensaft und braunem Zucker verfeinert werden.

Besonders in Polen und Belgien haben Glühbiere eine lange Tradition. In Polen werden sie «Grzane piwo» genannt, in Belgien sind die mit Sauerkirschen gebrauten Kriek-Biere beliebt. International bekannt ist etwa das Liefmans Glühkriek, das auch in der Schweiz erhältlich ist. Auch dasjenige von Störtebeker aus dem deutschen Stralsund kennt man hierzulande, ein Lagerbier, das mit Holundersaft und winterlichen Gewürzen aromatisiert wird.

In der Ostschweiz setzt ein weiterer Anbieter auf das Glühbier: die Brauerei Locher in Appenzell. Ihr Produkt wird mit Starkbier, Kirschsaft, Orangensaft und Glühweingewürzen hergestellt. Begeistert vom Appenzeller Glühbier ist Barman Jack Caruso. Er schenkt es derzeit in seiner «Wunderbar» im Badener Wunderdorf auf dem Theaterplatz aus. «Man muss die Leute noch ein bisschen darauf bringen, es zu probieren, aber es kommt supergut an.» Tatsächlich riecht man bei dem Glühbier die Gewürze sehr gut heraus, der Biergeschmack allerdings dringt nur schwach durch.

Noch einen Vorteil bieten die Glühbiere: Sie haben meist weniger Alkohol und sind auch weniger süss als Glühwein. Für eine grössere Runde kann man sich gut selbst an einem Glühbier-Rezept versuchen. Mit etwas Pröbeln findet man seine ganz eigene Spezialmischung.

Alkoholfreier Most und die berühmte 42-Kräuter-Mischung

Wer auf Alkohol verzichten will, greift am besten zu einem Glühmost. Zum Beispiel auf jenen aus dem Hause Appenzeller Alpenbitter AG in Appenzell.

«Uns war es wichtig, ein Produkt zu lancieren, das seine Wurzeln in der Region hat»

, betont Stefan Maegli, Geschäftsführer der Appenzeller Alpenbitter AG. Das Heissgetränk besteht aus Apfelsaft der Mosterei Möhl aus dem thurgauischen Arbon und der berühmten Appenzeller Mischung aus 42 Kräutern, die dem Wintergetränk eine süsse Zimtnote mit einem frischen Zitrusaroma verleihen. Dadurch ist er weniger süss als ein Glühwein, «dafür umso fruchtiger». Auch wenn der Glühmost schon da und dort an Weihnachtsmärkten und in Skihütten angeboten wird, habe das Produkt noch Potenzial, meint Maegli.

Schon etabliert hat sich der Glühmost von Pompom in der Westschweiz. Hinter dem Projekt steht Pablo Reyes Del Canto aus Lausanne, der neben dem wärmenden Wintergetränk zehn weitere saisonale Varianten in originellen Flaschen anbietet, wie etwa Erdbeere, Kiwi oder Birne. Die Rohstoffe erhält er von Willy Bühlmann aus Blonay. So auch für den Glühmost. Dazu gibt Reyes Del Canto seine Gewürzmischung bei, die natürlich sein Geheimnis bleibt. «Dass es Zimt darin hat, ist allerdings leicht zu erraten.»

Auch der Getränkehersteller Bänz aus Bern produziert den Glühmost mit zweierlei Zimt sowie Sternanis und Kardamom. Die Gewürze werden im heissen Apfelsaft aus der Region eingelegt.

«So können sich die Aromen richtig entfalten, und aus dem Apfelsaft entsteht ein herrlicher winterlicher Glühmost»

, betont Yves Bütikofer. Wer will, kann einen Schuss Wodka dazugeben, auch Calvados passt sehr gut. «So oder so schmeckt das besser als die meisten Glühweine.»

Rezepte für heisses Bier und Most

Man braucht nicht unbedingt einen Weihnachtsmarkt oder einen gut sortierten Getränkehändler in der Nähe, um Glühbier und Glühmost zu probieren. Beide Heissgetränke lassen sich leicht selbst anrühren. Das lohnt sich vor allem bei grösseren Gästerunden. Bei den Gewürzen gilt: Jeder nach seinem Gusto. Beide Getränke sind in Flaschen abgefüllt gut haltbar.

Zutaten für Glühbier
1 Liter dunkles Bockbier oder normales, dunkles Bier
500 ml Kirschsaft oder Holundersaft
10 Stück Nelken
4 Stück Kardamom
2 Zimtstangen
2 Scheibe frischer Ingwer
50 g Zucker oder Honig
1 Vanilleschote

Zubereitung
Gewürze vermengen, Vanilleschote aufschneiden und alles in Teesäckchen füllen. Wie ein Teebeutel wird das Säckchen nun in das Bier gehängt und das Ganze auf rund 65 Grad erhitzt, nun den Zucker zugeben. Am Schluss mit dem Kirschsaft mischen und warm servieren. Das Glühbier etwa 20 Minuten ziehen lassen.

Zutaten für Glühmost
1 Liter trüber Apfelsaft
1 Vanillestängel, längs aufgeschnitten
1 Päckli Vanillezucker Calvados oder Wodka nach Mass

Zubereitung
Apfelsaft mit Vanillestängel und Vanillezucker aufkochen. Pfanne von der Platte nehmen, zugedeckt fünf Minuten ziehen lassen. Calvados oder Wodka beigeben und heiss servieren.