Baumnüsse für Bündner Nusstorten und hochwertiges Öl wurden bisher grösstenteils importiert. Schweizer Bäuerinnen und Bauern versuchen das jetzt zu ändern. Dafür braucht es aber sehr viel mehr als prächtige Nussbäume.
Sie gehören in jedes Chlaussäckli, sie werden als einheimisch wahrgenommen und sind es doch in den wenigsten Fällen: Baumnüsse. Wenn sie aus dem Chlaussack rollen, haben sie meist einen weiten Weg hinter sich. Wenn wir mit ihren Kernen backen, kommen sie meist aus Frankreich, aus Kalifornien oder Chile.
Das zu ändern, haben sich einige innovative Schweizer Bauern vorgenommen. Tausende Nussbäume haben sie gepflanzt, Hunderttausende Franken in Verarbeitungsmaschinen investiert und sich vernetzt. Denn gegen den Import von 1000 Tonnen Nüssen und 2500 Tonnen Kernen aus dem Ausland ist mit einem Hofladen nicht anzukommen.
Das Epizentrum des Schweizer Baumnuss-Booms liegt im thurgauischen Hörhausen, auf dem Hof der Familie Gubler. «Hiesige Baumnüsse sind sehr gefragt», sagt Christoph Gubler nicht ohne Stolz. Erstmals konnten er und seine Kollegen von der Nuss Thurgau AG die Grossverteiler Manor und Coop Ostschweiz beliefern.
Insgesamt sollen in diesem Jahr rund 8 Tonnen verkauft werden, in zehn Jahren dann 100 Tonnen. Und zwar in einer Qualität, die sie nicht zu Stiefkindern im Chlaussäcklein werden lasse, sagt der 31-jährige Agronom. Dafür haben sie in Frankreich eine Verarbeitungslinie gekauft, die sie kürzlich in Betrieb nahmen. Damit werden die Nüsse in mehreren Schritten gereinigt, laufen zur Kontrolle per Auge über ein Förderband und werden dann während dreier Tage in einer Art Silo bei 25 Grad getrocknet. Zuletzt werden sie in einer Trommel nach Grösse sortiert. Haben sie mindestens 32 Millimeter Durchmesser, kommen sie als ganze Nüsse in den Handel, wo sie rund doppelt so viel kosten wie importierte.
Wie die perfekte Baumnuss sein soll, erklärt Gublers Vater, der 65-jährige Heinrich Gubler, der Schweizer Nuss-Papst genannt wird:
Die Nuss sollte eine gewisse Grösse haben und gut zu knacken sein, sonst macht sie keine Freude.
Der Nusskenner fügt an: «Der Kernanteil sollte gegen die Hälfte des Gewichts ausmachen, und nicht zuletzt muss sie gut schmecken und bekömmlich sein, also eher mild im Aroma.» Die übrigen werden weiterverarbeitet, etwa zu Öl.
Spezialisiert darauf hat sich der «Nusshof» von Niklaus und Iris Allenspach in Wilen-Gottshaus, dem zweiten Thurgauer Baumnuss-Hotspot. Seit sieben Jahren pressen sie im Winter aus ganzen Baumnüssen hochwertiges Öl. Mittlerweile bedienen sie 300 Kunden.
Öl aus ganzen Nüssen pressen? Das geht. Die in der Schweiz gebaute Presse gleicht einem grossen Fleischwolf. Seitlich aus dem Presszylinder läuft das noch mit vielen Trubpartikeln versetzte Öl, der «Trester» wird vorn herausgequetscht. Allenspach erklärt:
An der Presse habe ich vieles nach und nach umgebaut, bis das Ergebnis optimal war.
Er ist ein Tüftler, schaut nicht ohne Stolz auf die Maschine und sagt: «Ich bin selbst immer wieder fasziniert.»
20 Kilogramm Nüsse lassen sich mit ihr pro Stunde verarbeiten, was gegen 4 Liter Öl ergibt. Es müsste dann zehn Tage ruhen, bis der Trub auf den Boden abgesunken ist. Doch Allenspach hat zum Klären des Öls zusammen mit seinen Söhnen eine Filtrierpresse aus Chromstahl entwickelt. Das Öl mit dem Trub wird darin ganz langsam gepresst und gefiltert, sodass goldgelb leuchtendes Öl herausfliesst.
Ein weiteres Filtrieren durch ein Tuch entfernt letzte Trubpartikel – und das Öl ist genussbereit. Iris Allenspach findet, dass das aus ganzen Baumnüssen gepresste Öl «besonders nussig» schmeckt. Voraussetzung: Sie müssen sauber und trocken sein.
Trocken sind Baumnüsse, wenn das Kreuzchen, das die Kerne trennt, sich nicht mehr verbiegen lässt, sondern bricht.
Auch in Malans GR geht es um faszinierende Maschinen und um Nuss-Köstlichkeiten: um die Bündner Nusstorte oder um Birnenbrote – aber eben mit Schweizer Baumnüssen. Dafür haben sich Bäuerinnen und Bauern aus Graubünden, St. Gallen und Luzern organisiert, 3500 Bäume gepflanzt und zur Verarbeitung und Vermarktung die Genossenschaft Walnusskompetenzzentrum in Malans gegründet.
Dort knackt ihre in Kalifornien gekaufte Maschine seit 2019 nun Nüsse und sortiert die Kerne – «Die Nachfrage ist gross, obwohl unsere Kerne vier- bis sechsmal teurer sind als ausländische», sagt Geschäftsführerin Beatrice Gut.
Zurzeit haben wir noch zu wenig Schweizer Nüsse.
Verarbeitet werden dieses Jahr 17 Tonnen, Ziel sind bis 100 Tonnen. Abnehmer sind grosse Bäckereien und Molkereien, die Glace oder Joghurt herstellen.
Es müssen also noch viel mehr Baumnussbäume in der Schweiz wachsen. Nur mit schönen, freistehenden Hochstämmern allein ist das nicht zu schaffen. Dafür braucht es grosse Plantagen. Aus Bäumen, die nur 6 bis 8 Meter hoch werden und dicht nebeneinander wachsen.
«Der Baumnussanbau ist aber auch so kein schnelles Geschäft und verlangt Ausdauer», sagt Agronom Gubler, «denn den vollen Ertrag werfen die Bäume erst nach etwa zehn Jahren ab.» Wegen ihrer hohen Preise und wegen fehlenden Schutzes vor Importen geht Gubler davon aus, dass die hiesige Produktion nur einen beschränkten Teil der Importe ersetzen kann, bei ganzen Nüssen rund 20 Prozent, bei Kernen 7 Prozent. Mit den heute bestehenden Pflanzungen würden diese Werte 2030 erreicht.