Viele der einstigen Herrscherpaläste in Rajasthan sind heute Hotels. Wer Luxus liebt, will ewig bleiben.
1971 war gar kein gutes Jahr für die Maharadschas im nordindischen Bundesstaat Rajasthan. Gerade erst hatten sich die adligen Herren damit abgefunden, dass sie als Provinzbewohner des indischen Subkontinents keine politische Macht mehr haben, da entriss ihnen Premierministerin Indira Ghandi auch noch all die althergebrachten Privilegien, die sie mit Verweis auf ihre Adelstitel in die Moderne zu retten versuchten.
Doch alles Quengeln half nichts. 1971 fand die Ära der mächtigen Maharadschas ihr definitives Ende. Jahrhundertelang hatten sie zuvor über ihre Kleinreiche geherrscht und in ihren pompösen Palästen auf gute Geschäfte mit britischen Handelsreisenden angestossen. Doch dann rief Indien 1947 seine Unabhängigkeit von den britischen Besatzern aus und schluckte die einzelnen Mini-Reiche in seinem Nordwesten eins ums andere. Die Grenzregion zum unliebsamen (weil muslimischen) Nachbarn Pakistan wollte man schnell unter die Kontrolle der Zentralregierung in Delhi bringen. Das Machtgehabe der Maharadschas stand diesem Plan im Weg.
Die Paläste aber, die liess man den feinen Herren. Nur: Was machen mit all dem Pomp, wenn man damit weder seine Untergebenen beeindrucken noch seine Macht zum Ausdruck bringen kann? Die Antwort: Hotels. Ab den 1970er-Jahren bauten viele der alten Herrscherfamilien ihre Paläste aus und begannen, Gäste gegen Geld am Hofleben teilhaben zu lassen.
Eines der eindrücklichsten Beispiele für die Umnutzung der alten Machtzentren ist der «Samode Palace» gut 40 Kilometer nördlich der Provinzhauptstadt Jaipur. Umgeben von den schroffen Hängen des Aravalli-Gebirgszugs, thront der 1552 als Fort errichtete Prunkbau auf einem Hügel über dem Städtchen Samode. Unten in den Gassen läuft das Leben wie eh und je. Schmiede hämmern auf glühende Eisenteile ein, Schleifer bieten Edelsteine feil, Strassenkünstler malen alte Gottheiten auf selbstgeschöpftes Papier, Languren hocken in den Bäumen und fletschen die Zähne, wenn man ihnen zu nahe kommt.
So ähnlich muss das Leben in Samode auch während der Jahrhunderte gespielt haben, als die Stadtbewohner noch von den Maharadschas regiert worden und nicht Bürger der grössten Demokratie der Welt gewesen sind. Auch oben im Palast hat sich wenig geändert. Die aufgetischten Speisen sind noch immer opulent, der alte Spiegelsaal (Sheesh Mahal) erstrahlt in vollem Glanz, die Marmorböden der Maharadscha-Suiten sind blankgeputzt. Am Abend brennen überall Kerzen und Fackeln und von den Wänden leuchten 250-jährige Fresken in allen erdenklichen Farben. Seit 1971 wird der «Samode Palace» als Hotel genutzt. Wer (wie der Autor) nur für eine Nacht bleibt, dem fällt es schwer, all die Reize und all den Luxus aufzusaugen.
Noch mehr Pomp als der «Samode Palace» verspricht ein Besuch im 1890 erbauten Stadtpalast des Maharadschas von Jaipur. Weite Teile des Prunkbaus sind heute als Museum zugänglich und locken unter anderem mit den Seidengewändern des Riesen von Jaipur: einem Maharadscha-Spross, der stolze 2,10 Meter gross gewesen sein soll. Riesig sind auch die beiden Silbertöpfe am Eingang zum Speisesaal. Jeder der Töpfe ist 345 Kilogramm schwer. Das ist Weltrekord.
Doch selbst im Stadtpalast von Jaipur, wo die Nachkommen der alten Herrscher noch immer zurückgezogen leben, brechen langsam neue Zeiten an. Die 150 Schnurrbart-Träger der «Royal Guard», die hier zum Rechten schauen, tragen dieser Tage alle eine schwarze Schleife über ihren sattblauen Uniformen. «Wir wollen zehn Prozent mehr Lohn», erklärt einer von ihnen und zeigt stolz auf seine Schleife. Die Zeiten, in denen die Maharadschas auf Kosten des gemeinen Volkes ungestört in Saus und Braus leben konnten, die sind definitiv vorbei.