Das weltweit erste Haus, das nicht nur am Computer geplant, sondern mit Robotern und 3D-Druckern auch weitgehend digital gebaut wurde, ist gestern in Dübendorf vorgestellt worden. Schon bald werden die ersten Bewohner einziehen. Ob sie sich wohl fühlen werden?
Einen Schnappschuss nennt ETH-Professor Matthias Kohler sein Bild. Er zeigt das Foto an der gestrigen Eröffnung des weltweit ersten bewohnten digital geplanten und digital gebauten Hauses namens DFAB House. Zu sehen ist darauf ein sitzender Handwerker, der die Beine hochlagert und entspannt den Robotern zuschaut, wie diese die Holzkonstruktion des digitalen Hauses zusammenbauen. Gemacht hat der Professor für Architektur und digitale Fabrikation das Bild in der grossen robotischen Fertigungshalle der ETH Zürich. In dieser sind die Holzmodule vorfabriziert worden.
Jetzt ist das DFAB House auf dem Empa-Gelände in Dübendorf fertig. Bald werden Bewohner einziehen, welche den Forschern über ihr Wohlbefinden berichten werden, wie der Architekt und Projektleiter Konrad Graser erklärt. Und Kohler sagt: «Wir wollten unsere Forschung in real gebauter Architektur präsentieren.» Um konkret zu zeigen, wie sich die Architektur in Zukunft entwickeln werde.
So führt der Rundgang nun durch ein wohnliches Haus mit geschwungenen Wänden und Nischen, mit speziellen Decken und viel eingebauter Elektronik. Kohler spricht von einem Meilenstein digitaler Baukultur, der die Normen und Standards der Architektur in Frage stellen und verschieben werde.
Dafür mussten Forscher und Handwerker aus ganz verschiedenen Bereichen zusammenarbeiten. «Wir haben sechs digitale Bauverfahren zum ersten Mal in der Praxis angewendet», sagt Graser. In einem ersten Verfahren hat ein Bauroboter direkt auf der Baustelle ein Bewehrungsnetz aufgebaut. Eine 3D-Gitterstruktur, die sowohl als Schalung wie auch als Armierung dient. In die Gitterstruktur wurde dann eine speziell entwickelte Betonmischung gegossen, weshalb im DFAB House nun eine zwölf Meter lange und drei Meter hohe tragende Wand in Schlangenform steht.
Der Architekt ist bei dieser digitalen Bauweise namens Mesh Mould völlig frei, was die Geometrie betrifft. Das Baumaterial wird dabei punktgenau eingesetzt, womit die Abfallmenge reduziert wird.
«Die Prozesse in diesem Verfahren sind alle digitalisiert, aber nicht vollautomatisiert», sagt Graser. Betonen will der Architekt damit, dass weiterhin Menschen auf der Baustelle arbeiten, die in diesem Fall die gekrümmte Wand von Hand glatt gestrichen haben. Ein weiteres digitales Bauverfahren ist das Smart Slab. Dabei kommt die Schalung aus einem riesigen 3D-Sanddrucker, «der heute bereits im Handel gekauft werden kann». Die 3D-gedruckten Schalungsteile werden danach mit faserverstärktem Beton ausgegossen. So hat man für das DFAB-Haus elf Deckenelemente vorfabriziert, die man danach in zwei Tagen auf der Baustelle montiert hat.
Des Weiteren haben die ETH-Forscher eine automatisierte, bewegliche Gleitschalung entwickelt, die es möglich macht, viele Bauteile in Serie mit unterschiedlicher Form vorzufabrizieren. Und dank den an der ETH von den kooperierenden Robotern konstruierten Holzmodulen konnte auf die für die Montage sonst üblichen Gerüste verzichtet werden.
Bemerkenswert ist die Fassade des DFAB House. Eine transluzente Leichtbaufassade, die an die Stadionfassade der Münchner Allianz-Arena erinnert. Das verwundert nicht, die DFAB-Fassade stammt von der gleichen Firma. Sie setzt sich aus zwei dünnen Membranplatten zusammen. Zwischen den beiden Membranen wurde ein Dämmstoff aus Aerogel-Granulaten eingefüllt. Die nur zwölf Zentimeter dünne Leichtbaufassade lässt sich problemlos nach Wunsch des Architekten krümmen und biegen. «Zudem hat sie eine hervorragende Dämmwirkung und lässt viel Licht ins Haus.
Sie ist mit gesundem Material hergestellt worden und braucht keine chemischen Verklebungen», sagt Graser. Man könnte diese Fassade sogar wieder zurück- und in einem anderen Haus wieder einbauen. Graser sieht gute Chancen, dass diese an der ETH Zürich zusammen mit dem Marktführer unter den Membranherstellern entwickelte Fassade bald auf den Markt kommen könnte.
Das wird nicht bei allen Entwicklungen so sein. Bei diesem digitalen Haus handelt es sich um einen Prototypen, «der deshalb natürlich sehr teuer ist», wie Kohler sagt. Aber es gebe ein grosses Interesse der Industrie an diesem Haus und den dafür entwickelten digitalen Verfahren und Bauprozessen. Diese würden dereinst auch auf den Baustellen verwendet, wenn auch in weiterentwickelter Form. Das brauche aber noch Jahre.
«Es gibt auf jeden Fall systematische Einsparmöglichkeiten durch die digitale Planung und Fabrikation», hält Graser fest. Zum Beispiel gebe es weniger Verschnitt beim digitalen, robotischen Holzbau. Und digital geplant und gebaut könnten Formen entstehen, die sonst nicht möglich wären: Nichtstandardisierte Bauteile mit hoher Präzision in der Ausführung.
Noch brauche die digitale Produktion zu viele digital versierte Spezialisten, weil die Verfahren noch nicht für alle durchschaubar und anwendbar seien. Aber die Nutzung und Zugänglichkeit des Digitalen werde sich für Handwerker verbessern, und Architekten würden neue Werkzeuge in die Hand bekommen.
In der Praxis einen Schritt weiter als das digitale Bauen und Planen ist das digitale Wohnen, wie es im DFAB-Haus nun möglich ist. «Das Herzstück des digitalen Wohnens schlägt im Sicherungskasten», sagt Adrian Obrist von der Firma digitalStrom. Die Steuerung funktioniert nämlich über das herkömmliche Stromnetz.
Über intelligente Stromklemmen werden alle Geräte, digitale und nichtdigitale, miteinander vernetzt. So macht das Alarmsystem nicht nur Lärm, wenn es brennt oder ein Dieb eindringt, sondern es schaltet im Notfall auch das Licht an und öffnet oder schaltet elektrische Geräte aus.
Berücksichtigt werden vom Steuerungssystem auch die aktuellen Wetterprognosen: «Zehn Minuten bevor der Hagel kommt, werden die Rollläden hinaufgefahren», sagt Obrist.
Wie in modernen Autos gibt es eine Sprachsteuerung im Haus, so dass der Bewohner sogar mit dem Backofen sprechen kann: «Oberhitze und 200 Grad Celsius, bitte.»