Ab morgen in unseren Kinos: David Finchers melodramatisches Epos The Curious Case Of Benjamin Button erzählt von einem Mann, der im Körper eines Greises zur Welt kommt und dann rückwärts altert. Inspiriert von F. Scott Fitzgerald und mit Brad Pitt.
Der Trailer zum Film (Quelle: Fox Warner)
Manche kommen aus David Finchers neuem Film wie aus einem wehmütig-schönen Traum und schweben noch für eine Weile wundersam leicht über dem alltäglichen Einerlei – zeitenthoben und unangemeldet poetisiert. Und es gibt Zuschauer, die arg verdrossen aus dem Kino stapfen: Ihnen hatte es bloss ahnungsvoll geplätschert, sie sahen Sentimentalität, aber kein Gefühl, eine «digitale Freakshow» und gar nichts von Zauber.
Kurzum, für die eine oder andere Freundschaft könnte dieser Film vielleicht zur kleinen Bewährungsprobe werden. So etwas hat man nicht alle Tage.
«Der seltsame Fall des Benjamin Button» wurde für 13 Oscars nominiert, ist ein überaus prachtvolles, perfekt in Szene gesetztes Hollywood-Melodram. Aber Fincher schaffte weit mehr als bloss das Bravourstück, endlich einen Stoff zu meistern, der lange als schlechterdings nicht verfilmbar galt. Nach spektakulären Erfolgen wie «Seven» von 1995 und «Fight Club» vier Jahre später, die dem Regisseur den Ruf eines hartgesottenen Kinozynikers einbrachten, erstaunt «Benjamin Button» jetzt als grosses amerikanisches Gemütskino voll erlesener Tableaus – und setzt dabei immer wieder auch auf jenes feine Gaukelspiel, das wir im Alten Europa gerne «romantische Ironie» nennen.
Ein Märchen ist es, das sich hier in aller Ruhe entfaltet. Doch gelegentlich wird der Erzählfluss angehalten, hinter der ästhetischen Illusion scheint die Machart auf, zerkratzte Stummfilmfetzchen geraten zum Running Gag oder die Anatomie eines Unglücks versteigt sich zu einer absonderlichen Logik aus lauter Zufällen. Danach kann man wieder umso wohliger eintauchen in den sanften Strom einer Lebensgeschichte, die mit einer wahrlich starken Untertreibung beginnt: «Ich bin unter aussergewöhnlichen Umständen geboren.»
Masslos untertrieben, denn Benjamin Button (Brad Pitt) kommt als Greis zur Welt: ein verkrümmter Alter, geplagt von Arthritis, aber eben winzig wie ein Säugling. Die Mutter stirbt im Kindbett, der entsetzte Vater legt das wimmernde Bündel auf den Treppenstufen eines Altersheims in New Orleans ab.
Es ist der letzte Tag des Ersten Weltkriegs, von nun an wird Benjamin zu einem Jahr um Jahr Jüngeren heranwachsen, er wird als reifer Mann im zweiten grossen Krieg mitkämpfen und als jugendlich Verliebter den Aufstieg der Beatles oder den Start der ersten Mondrakete erleben und danach in der eigenen Pubertät ankommen. Und irgendwann ist Benjamin eben ein Baby, das sich naturgemäss in die Windeln macht, aber auch Anzeichen von Altersstarrsinn und schliesslich Senilität aufweist – die Lebensuhr läuft nicht ganz rund im Rückwärtsgang.
Doch die Mechanik eines Chronometers interessiert Fincher und seine Drehbuchautoren Eric Roth und Robin Swicord am allerwenigsten an dieser an eine Erzählung von F. Scott Fitzgerald («Der grosse Gatsby») angelehnten Geschichte. Statt dessen mündet die phantastische Gegenläufigkeit von historischer und gelebter Zeit in einen Schwebezustand, bei dem man vielleicht einen ähnlichen Blick gewinnt wie der oft etwas entrückt wirkende Held dieses Films: voll Freude über die Kostbarkeit des Daseins und gleichermassen mit einer sterbensfrohen Trauer ob dessen unausweichlicher Vergänglichkeit.
«Du bist perfekt», schwärmt Benjamins grosse Liebe Daisy (Cate Blanchett) auf dem Gipfel des gemeinsamen Glücks, und beide wissen, dass sie sich von nun an wieder voneinander entfernen werden. Natürlich ist diese Szene auch ein netter Lacher, denn hier sieht der Hauptdarsteller Brad Pitt endlich aus wie jener jugendliche Schönling, als der er berühmt wurde.
Davor und danach haben Maskenbildner, Digitalzauberer und auch etliche Ersatzdarsteller reichlich zu tun, das Paar durch die Jahrzehnte zu bringen – ein Wunder, dass das nicht gänzlich ins Groteske umkippt in diesen zweidreiviertel Stunden. So lange dauert der Film. So kurz kann eine Ewigkeit sein.
Brad Pitt als Benjamin Button (Bild: Fox Warner)
Angelina Jolie und Brad Pitt bei der Premiere in Berlin (Bild: Fox Warner)
(Bild: Fox Warner)