Rohstoffe
Deutschland fördert neuerdings Lithium, auch Schweizer Firmen sehen Chancen – aber es gibt ein Problem

Ohne Lithium fährt kein E-Auto, und der Bedarf steigt rasant. Bislang wird das begehrte Metall meist aus Südamerika importiert. Doch auch in Deutschland und der Schweiz könnte Lithium aus Thermalwasser gewonnen werden.

Andreas Lorenz-Meyer
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Lithium: Rohstoff für die Elektromobilität.

Lithium: Rohstoff für die Elektromobilität.

Bild: Getty Images

Laut Internationaler Energieagentur könnten im Jahr 2030 gut 150 Millionen Elektroautos unterwegs sein. Gut fürs Klima ist das aber nur, wenn die Akkus mit Strom aus erneuerbaren Quellen geladen sind. Zudem entscheiden die Bestandteile der Batterie mit, wie nachhaltig E-Mobilität sein wird.

Der momentan marktbeherrschende Typ sind Lithium-Ionen-Akkus. Der Typ hat eine höhere Energiedichte als andere Akkus, wodurch er kleiner und leichter sein kann. Nachteil: Das Lithium ist leicht brennbar. Deswegen tüfteln Forscher an Alternativen. Etwa Magnesium-Akkus, die eine ähnliche Energiedichte wie Lithium-Ionen-Akkus hätten, aber viel sicherer wären.

Bis zu Marktreife neuer Akkus gilt: Ohne Lithium fährt kein E-Auto. In der Natur kommt das Alkalimetall, da es sehr reaktionsfreudig ist, nur gebunden vor. In Australien im Gestein, in Südamerika im salzhaltigen Wasser der Salare, der Salzseen in den Anden.

In den bolivianischen Salaren wird unter anderem Salz gewonnen.

In den bolivianischen Salaren wird unter anderem Salz gewonnen.

Der Abbau von Lithium ist immer wieder in den Schlagzeilen. Zwar sind die öko­logischen Folgen von Salar zu Salar sehr unterschiedlich, teils gibt es aber gravierende Probleme. So verändert sich der Wasserhaushalt in den trockenen Regionen rund um die Salzseen, hinzu kommen Umweltschäden. Die indigene Bevölkerung protestiert gegen die Lithiumförderung, etwa die Kolla-Ureinwohner in Argentinien.

Tiefengeothermie liefert die Infrastruktur

Ein Schlüsselrohstoff mit Schattenseiten, weswegen eine europäische Förderung wünschenswert wäre. Salzseen gibt es bei uns nicht, aber heisses Thermalwasser. Es enthält je nach Region durchaus Lithium. Und die Infrastruktur für eine Förderung existiert auch schon: tiefengeothermische Anlagen.

Bei der Tiefengeothermie wird heisses Thermalwasser aus grossen Tiefen nach oben gepumpt. Dort entzieht man ihm Wärme und nutzt sie als Heizwärme oder zur Stromerzeugung. Das abgekühlte Wasser fliesst wieder in den Untergrund. Warum nicht zusätzlich die Extraktion von kostbarem Lithium?

Im Südwesten Englands, in Cornwall, will die Firma Cornish Lithium das «weisse Gold» tatsächlich heben, und auch in Deutschland laufen Vorbe­reitungen für die Förderung.

Hier geht es um die tiefen Gesteinslagen im Oberrheingraben zwischen Basel und Mainz. Aber sind die Konzentrationen im Oberrheingraben oder in Cornwall ähnlich hoch wie in Südamerikas Salzseen? Nein, sagt Michael Schmidt, Lithium-Experte der deutschen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe:

«Die Firma Vulcan Energy gibt zum Beispiel in ihrer Firmenpräsentation einen durchschnittlichen Lithiumgehalt von 181 Milligramm pro Liter für das Tiefenwasser am Standort Insheim an.»

Zum Vergleich: Chiles Salzseen erreichen Werte von 800 bis 1600 Milligramm Lithium pro Liter. Über die Wirtschaftlichkeit entscheidet aber auch nicht der Lithiumgehalt ­allein, ergänzt Schmidt. Sondern auch «Verunreinigungen» durch an­dere Stoffe – Sulfat, Kalium, Magnesium. «Die sind extrem wichtig, weil sie das Extrahieren des Lithiums massgeblich beeinflussen.» Je mehr Ver­unreinigungen, desto teurer die Förderung.

Europäische Produktion könnte den Bedarf kaum decken

Und die Fördermengen? Am Oberrheingraben in Insheim sollen es zuerst einmal jährlich etwa 1200 Tonnen Lithiumkarbonat sein. «Das entspricht rund 230 Tonnen Lithium», rechnet Schmidt. Das sind 0,3 Prozent der globalen Produktion, die im Jahr 2019 bei 86 000 Tonnen Lithium lag. Die Nachfrage wird aber enorm zunehmen, so Schmidt. Fazit: Eine europäische Produktion von geothermalem Lithium kann Europas Bedarf zwar nicht abdecken, aber immerhin ergänzen und somit die bisherige vollständige Importabhängigkeit etwas verringern.

Hierzulande verfolgt man die Pilotversuche im Oberrheingraben mit Interesse. «Die Konzentration an Mineralien aller Art im Tiefenwasser ist im Oberrheingraben ziemlich hoch, vermutlich einiges höher als in grossen Teilen der Schweiz», sagt Peter Meier, CEO der Geo-Energie Suisse AG. Und fügt an:

«Aber sicher sind wir nicht, da die Daten dazu aus dem tiefen Untergrund fehlen.»

Sobald die erste Tiefbohrung in der Schweiz stattfinden darf, würden sicher Proben genommen. Stellt sich noch die Sicherheitsfrage. Bei der Tiefengeothermie gibt es das Risiko von Erdbeben, weil das Gestein in der Tiefe stimuliert wird. Das kann Erdbeben erzeugen – und hat es zum Beispiel beim eingestellten ­Projekt «Deep Heat Mining Basel» auch schon getan.

Wie sicher die Technik sein kann, versuchen Forscher zu ­klären. In der Schweiz führen sie im Bedret­to-Untergrundlabor kontrollierte Experimente durch, um herauszubekommen, wie das Gestein reagiert. Was die geplante Lithiumgewinnung pa­rallel zur Tiefengeothermie angeht, lässt sich sagen: Nach aktuellem Forschungsstand bringt das keine zusätzlichen Gefahren.