Der Forschungsbetrieb Agroscope hat erfolgreich Reis angepflanzt. Der Anbau könnte sich für Schweizer Bauern lohnen. Und die Tier- und Pflanzenwelt profitiert extrem von den Feuchtgebieten.
Gut sieht er aus, dieser Schweizer Reis. Der erste, der nördlich der Alpen gewachsen ist. Im Einmachglas, schön etikettiert, steht der Reis der Sorte «Loto» auf einem Schrank im Büro der Agroscope-Forscher Thomas Walter, Anja Gramlich und Katja Jacot. Vielleicht wird diese Ernte aus dem Forschungsbetrieb Reckenholz in Zürich einmal zu einem Lotto-Sechser für die Schweizer Bauern.
Denn fraglos ist Reis eines der wichtigsten Nahrungsmittel auf unserem Planeten. Bis zum 47. Breitengrad kann Reis angepflanzt werden. Zu 85 Prozent im Wasseranbau, wie man ihn typisch aus China kennt, zu 15 Prozent im Trockenverfahren. Thomas Walter sagt:
«Reis ist eine Kultur, die nicht allzu schwierig anzubauen ist. Auf kleiner Fläche erhält man eine relativ grosse Menge.»
Ein hochwertiges, kalorienreiches Nahrungsmittel, und wenn man die Hülsen dran lässt, eines mit viel Proteinen. «Aus den Spelzen wird Viehfutter. Reismehl und Guetzli werden aus Reis gemacht und er lässt sich zu Wein und Schnaps vergären. Das ist eine grosse Palette. Deshalb ist der Reis wie das Getreide zur Weltkultur geworden», sagt der Agroscope-Forscher.
Und könnte nun zu einem neuen Anbauprodukt für Schweizer Bauern werden. Denn die Agroscope-Forscher haben in zwei Pilotversuchen erfolgreich Reis angebaut. In Schwadernau bei Biel und in der Grenchner Witi wurde im vergangenen Jahr Reis auf temporär gefluteten Feuchtackerflächen in verschiedenen Verfahren angebaut. «Zum einen mit Direktsaat, also Saatkörnern, bevor das Reisfeld geflutet wurde. Zum anderen haben wir etwa 10000 Setzlinge im Wasser eingepflanzt, die wir hier im Reckenholz aufgezogen haben», sagt Walter.
Ende April wurden die Samen ausgebracht und Mitte Mai auf einem anderen Feld die Setzlinge gepflanzt. Die lehmigen und Wasser undurchlässigen Böden wurden in der Witi 3,5 Monate mit Drainagewasser geflutet. Am Standort Schwadernau wurde Wasser aus der Aare entnommen. Trotz des heissen Sommers sei es nicht zu Wasserknappheit gekommen. So sagt Anja Gramlich:
«Die Reispflanzen ertragen es auch, wenn das Wasser für kurze Zeit fehlt.»
Ab Ende August bis Mitte September wurden die reifen Körner geerntet. Und das nicht zu knapp. Die Forscher erhielten brutto acht Tonnen Reis pro Hektare. «Mehr als wir erwartet haben», sagt Walter. Im Tessin ernten die Reisbauern jeweils vier bis sieben Tonnen pro Hektare. Aus der Sorte Loto macht man dort das beliebte Tessiner Risotto. «Wenn man alles richtig macht, kann man im Norden sicher vier Tonnen pro Hektare ernten», sagt Walter.
Die erste Idee der Forscher war allerdings nicht, in der Schweiz den Reisanbau zu etablieren. Vielmehr haben sie sich überlegt, wie die vielen drainierten Feuchtgebiete in der Schweiz genutzt werden können – gesucht wurde nach Alternativen zur Erneuerung von Be- und Entwässerungssystemen oder Massnahmen zur Bodenverbesserung der zeitweise überfluteten Flächen. «Viele Drainagen müssen erneuert werden. Die Flächen vernässen. Deshalb haben wir nach Möglichkeiten gesucht, wie man das Wasser in diesen Feuchtäckern nutzen konnte. So sind wir auf den Reis gekommen», sagt Walter.
Die Reisproduktion hat nicht nur den Effekt, dass temporär überflutete Böden mehr Wert erhalten. Der Anbau würde zu neuen Feuchtgebieten führen, was für die Artenvielfalt ein grosser Gewinn wäre. Denn die in solchen Gebieten lebenden Tier- und Pflanzenarten sind heute wegen fehlender Lebensräume besonders stark gefährdet.
«In Schwadernau haben wir Libellen, Frösche und seltene Vogelarten dokumentiert, die auf normalen Äckern nicht zu sehen sind», sagt Walter. Am anderen Standort hätten Laubfrosch und Kreuzkröte stark profitiert. Walter sagt:
«Die Libellen haben zu Tausenden die Mücken im Feuchtegebiet weggeputzt.»
Auf einem solchen Reisfeld etabliere sich schnell eine Räuberfauna, gegen welche Mücken wohl wenig Chancen hätten. Die Natur steht im Gleichgewicht und dementsprechend wurde bei diesen Reisanbauversuchen gänzlich auf Chemikalien verzichtet: Keine Herbizide, Fungizide und Pestizide.
Am 1. November ist nun eine landesweite Interessengemeinschaft, die «IG Nassreis» gegründet worden. Beteiligt sind Bauern, Forscher und Händler, um die Produktion, Beratung, die Forschung und den Vertrieb von Schweizer Reis in Gang zu bringen. Das vierköpfige Agroscope-Forscherteam des Reisprojekts werden nach dem erfolgreichen ersten Projekt nun ein grösseres Folgeprojekt einreichen mit vier Anbau-Standorten. Fragen der Biodiversität werden erforscht wie auch die Wirtschaftlichkeit eine Frage ist. Da sieht es nach Agroscope nicht schlecht aus, wie man am Beispiel des Tessiner Reises sehe. Fünf bis sechs Franken pro Kilogramm raffinierten Reis ist der Ladenpreis. Der Anbau von Reis auf temporär gefluteten Flächen könne also wirtschaftlich sein und zusätzlich profitiere die Natur stark davon, sagen die Agroscope-Forscher.