Ich arbeite in einem Dienstleistungsunternehmen. Am Jahresgespräch schenkt mir mein Vorgesetzter eine Stunde Zeit. Dies ist die einzige Wertschätzung, die ich von ihm erfahre. Ich merke zunehmend, dass mir dies nicht reicht. Ich weiss oft nicht, wo ich stehe. Was kann ich tun, damit ich mehr Wertschätzung erhalte?
Leider denken nach wie vor viele Führungskräfte, dass die Abwesenheit von Kritik Anerkennung genug ist. Doch stillschweigende Wertschätzung gibt es nicht! Wer arbeitet, braucht Anerkennung für sich und seine Leistung. Dies ist nicht nur ein Grundbedürfnis, sondern auch ein Grundrecht jedes Menschen, zu erfahren, woran man ist – im Job wie im Privatleben. Wir wollen mit dem, was wir sind, was wir tun und geleistet haben, gesehen und anerkannt – eben wertgeschätzt – werden. Wer dies nur einmal im Jahr erfährt, verkümmert, verliert Motivation, Arbeitsfreude, wird eventuell sogar krank.
Lassen Sie es gar nicht so weit kommen! Werden Sie aktiv, wenn die ersehnte Wertschätzung ausbleibt. Holen Sie sich Feedbacks und erfüllen Sie sich Ihr Bedürfnis selber. Bitten Sie Ihren Vorgesetzten darum, Ihnen Rückmeldung für Ihre Arbeit zu geben. Etwa nach einer Präsentation: «Chef, ich brauche Feedback: Bitte sagen Sie mir, was Ihnen an meinem Auftritt gut, was weniger gut gefallen hat.» Nach einem gemeinsamen Kundengespräch: «Chef, bitte sag mir, was ich im Kundengespräch gut, was weniger gut gemacht habe.» Oder nach getaner Arbeit: «Chef, mir ist wichtig zu wissen, ob der Kunde mit meiner Arbeit zufrieden war. Was hat er gesagt?»
Das mag am Anfang Mut kosten, weil Sie sich mit solchen Fragen verletzlich zeigen. Zudem kann der Eindruck entstehen, dass Sie nach Komplimenten fischen, insbesondere wenn Sie die Betonung auf positive Rückmeldung legen. Keine Angst: Wenn Sie aufrichtig für Ihr Bedürfnis nach Wertschätzung einstehen, werden sich diese Vorurteile nicht bestätigen.
Achten Sie darauf, dass die ausgesprochene Anerkennung gehaltvoll ist und Sie etwas damit anfangen können. «Es geht so», «Es könnte besser sein», «Das war super» oder ein schlichtes Schulterklopfen sind noch keine Wertschätzung. Obwohl insbesondere die beiden letztgenannten Feedbacks Ihnen vielleicht schmeicheln, fehlt ein konkreter Bezug. Konkret wird es erst, wenn Sie wissen, was der Auslöser für diese Aussagen oder ein «Daumen rauf/runter» war.
Lassen Sie den Chef begründen, womit er zufrieden/unzufrieden war. Erst durch Zahlen, Daten, Fakten und den Bezug zu einer konkreten Situation werden die Worte nachvollziehbar und zur Anerkennung. «Ihre Präsentation war beeindruckend. Insbesondere hat mir Ihre Souveränität gefallen, mit der Sie die Zuhörer gewonnen haben. Auch dass Sie sich an die Zeitvorgaben gehalten haben, finde ich super. Woran ich noch arbeiten würde, ist das Sprechtempo. Bitte künftig langsamer sprechen.» «Ich war überrascht, wie gut du dem Kunden gegenüber argumentiert und dich von seinen Gegenargumenten nicht aus dem Konzept bringen lassen hast. Chapeau und weiter so!»
Mit solchen Worten hat die Rückmeldung definitiv mehr Gehalt. Ist zudem die echte Begeisterung des Sprechers spürbar, erhöht dies die Kraft der Wertschätzung – denn der Mund kann viel sagen, aber das Herz spricht zu uns.